Electric Boogaloo

In den 1980ern waren Menahem Golan und Yoram Globus die Könige der B-Movies. Mit ihrer Firma Cannon Films produzierten die israelischen Cousins unzählige reißerische Action-Streifen und andere Genrefilme, nicht selten von zweifelhafter Qualität. Mark Hartley erzählt in seiner Doku Electric Boogaloo vom Aufstieg und Fall Cannons.



Reißerische Pseudo-Doku-Revue

Nach dem Erfolg der Teenagerkomödie Eis am Stiel (1978), die sechs Fortsetzungen nach sich zog und dank ständiger Wiederholungen im Fernsehen hierzulande sehr beliebt ist, wagten die israelischen Produzenten-Cousins Menahem Golan und Yoram Globus den Sprung nach Hollywood. 1979 kauften sie das Low-Budget-Filmstudio Cannon Films und wollten daraus einen weiteren „major player“ der amerikanischen Traumfabrik machen. Während Golam eher der Überproduzent war, agierte sein jüngerer Cousin Globus als findiger Geschäftsmann. Es wurden häufig recht schwache Skripts mit reißerischen Imhalten aufgekauft und dann mit wenig Geld (maximal 5 Millionen Dollar Budget, meist weniger) als Filme umgesetzt. Dank einer erfolgreichen Marketing-Kampanie, die nicht selten aus lediglich einem Aufmerksamkeit erheischenden Poster bestand, gelang es Cannon schon vor der Produktion die Rechte an den unterschiedlichen Filmen an internationale Verleihfirmen zu verkaufen.

Zwischen 1979 und 1989 ergab das einen Output von 125 Produktionen, die zum großen Teil auch direkt auf Video veröffentlicht wurden, darunter diverse Streifen mit prominenter Besetzung, wie die Death Wish-Reihe mit Charles Bronson, Missing in Action oder Delta Force mit Actionfilm-Ikone Chuck Norris, die Quartermain-Reihe mit Richard Chamberlain als Gegenstück zu Indiana Jones und die American Fighter-Reihe mit Michael Dudikoff. Daneben gab es aber auch Erotikstreifen mit viel Nacktheit, darunter Lady Chatterleys Liebhaber (1981, mit Sylvia Kristel), Die verruchte Lady (1983) mit Faye Dunaway oder mehrere Filme mit Sexsymbol Bo Derek. Dennoch gelang es Cannon vereinzelt hochwertige Stoffe zu erschaffen, vor allem den niederländischen Beitrag Der Anschlag (1986), welcher den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewann, oder Franco Zeffirellis Adaption der Verdi-Oper Otello.

Diese unglaubliche Geschichte eines ehemals schillernden B-Movie-Studios birgt eigentlich mehr als genug Potenzial für einen reichhaltigen Doku-Film, da man sich dem Thema grundsätzlich auf mehrere Arten annähern könnte. Statt einer eher analystischen Herangehensweise hat der australische Filmemacher Mark Hartley, der mit Not Quite Hollywood: The Wild, Untold Story of Ozploitation (2008) und Machete Maidens Unleashed (2010) bereits zwei Dokus zum Thema Exploitation-Kino gedreht hatte, leider die Boulevard-Version gewählt. Mit einer teils atemberaubenden Geschwindkeit schneiden Hartley und sein Team Archivmaterial, Filmszenen, Trailer und aktuelle Interviewschnipsel diverser Beteiligten zusammen. Das ist teilweise witzig, erhellend und nicht unspannend, aber eine halbwegs ernsthafte Auseinandersetzung kommt dadurch nicht zustande. Zu Wort kommen unter anderem Regisseure wie Boaz Davidson, der nicht nur alle Eis am Stiel-Teile inszenierte, sondern mit Die letzte amerikanische Jungfrau (1982) ein US-Remake des ersten Teils, Luigi Cozzi und Tobe Hooper, aber auch Schauspieler wie Richard Chamberlain, Franco Nero, Cassandra „Elvira“ Peterson, Molly Ringwald, Marina Sirtis (die besonders „einschneidende Erfahrungen machte) und Dolph Lundgren. Das ergibt zwar eine illustre Runde mit absurden Anekdoten, aber irgendwie hätte ich mir eine systematischere Annäherung gewünscht.

Nach dem Cannon Ende der 1980er und im Laufe der 1990er immer mehr in finanzielle Schieflage geriet zerstritten sich Golam und Globus bis ihre Produktionsfirma 1994 schließlich aufhörte zu existieren. Die Cousins gingen getrennte Wege. Golam wechselte zur 21st Century Film Corporation nachdem Globus schon länger für MGM/UA begonnen hatte zu arbeiten. Menahem Golan starb am 8. August 2014 im Alter von 85 Jahren, sechs Tage nachdem Electric Boogaloo seine Uraufführung beim Filmfestival in Melbourne gefeiert hatte. Bereits im Mai 2014 gab es die Premiere einer konkurrierenden Doku über Cannon: Go-Go Boys: The Inside Story of Cannon Films. In der Nachbetrachtung habe ich in jungen Jahren einige Werke aus der Cannon-Filmographie gesehen, die im positiven und negativen Sinne einen Eindruck bei mir hinterlassen haben, seien es die beiden Hercules-Filme von Luigi Cozzi mit Lou Ferrigno (1983/1985), Camelot – Der Fluch des Goldenen Schwertes (1984), Superman IV: Die Welt am Abgrund (1987). Masters of the Universe (1987) und die nachgeschobene Agatha-Christie-Adaption Rendezvous mit einer Leiche (1988) mit Peter Ustinov in seinem letzten Auftritt als Hercule Poirot.

Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films ist seit April 2015 auf DVD und BluRay erhältlich.

Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films
Dokumentation Australien, USA 2014. FSK 16. 102 Minuten (PAL-DVD). Buch und Regie: Mark Hartley.

Credits
Bilder (c) Ascot Elite.

 

 

5 Responses to Electric Boogaloo

  1. […] der Woche Electric Boogaloo Killing […]

  2. […] (Netflix) The New Mutants Die Schlacht von Marathon Daniel Isn’t Real (Fantasy Filmfest 2020) Electric Boogaloo Killing […]

  3. […] anhand von Animationssequenzen. Zwar wirkt die 80minütige Doku keineswegs so chaotisch wie etwa Electric Boogaloo, aber insgesamt hätte ihr etwas mehr Struktur gutgetan. Für mich war das Ganze immerhin sehr […]

  4. […] (RW) Following (1998) (RW) Die Schlacht von Marathon (aka Herkules – Die Schlacht um Hellas) Electric Boogaloo Rabbits (1972) (Horroctober) The Bad Batch (Horroctober) Bram Stoker’s Dracula (1992) […]

  5. […] der bisher auf diesem Blog besprochenen Actionkracher:African Kung-Fu NazisBoss LevelDesperadoElectric BoogalooEl MariachiFistful of VengeanceFree FireGuardians (2017)Hai-Alarm auf MallorcaDer Hobbit – Eine […]

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