Horroctober 2021, # 1 – Penny Dreadful Revisited VIII: Grand Guignol

5. Oktober 2021

Was bietet sich besser als Auftakt zum diesjährigen Horrormonat an als eine Folge der genialen Serie Penny Dreadful? Und nicht irgendeine, sondern das intensive Finale von Staffel 1.



„Do you really want to be normal?“

James Bond ist quasi Schuld, dass der Beginn meines Horroctobers 2021 etwas verspätet kommt. Dass ich meine im Juni 2020 begonnene und nach Folge sieben der ersten Staffel unterbrochene Wiederholungssichtung von John Logans genialer Horrorpastiche Penny Dreadful seit August 2020 (!) nicht fortgesetzt habe, dafür bin ich dagegen alleinverantwortlich, trotz des mich ständig verfolgenden Dämons der Faulheit. Vom bekanntesten Geheimagenten der Filmgeschichte zur viktorianischen Phantastik in TV-Form lässt sich aufgrund der Darsteller gut überleiten. Timothy Dalton alias Sir Malcolm Murray war der vierte offizielle Darsteller des Doppelnullagenten (in Der Hauch des Todes von 1987 und Lizenz zum Töten von 1989) und Eva „Vanessa Ives“ Green verkörperte in Daniel Craigs Debüt Casino Royale (2006) mit Vesper Lynd eines der wichtigsten Bondgirls aller Zeiten. Dazu kommt Rory Kinnear alias Frankensteins Kreatur, dessen bekannteste Kinorolle sicherlich die des Bill Tanner aus den vier letzten 007-Streifen ist. Doch lassen wir die glamouröse Welt der internationalen Spionage hinter uns und steigen wir hinab in die Demimonde, wo es im titelgebenden Theater zum Showdown mit dem Meistervampir kommt. Doch in dieser in mehrfacher Hinsicht denkwürdigen Episode passiert noch soviel mehr.

Während ihrer traumatischen Phase der Bessessenheit (siehe Folge 7) hat Vanessa Ives (Eva Green) in Erfahrung gebracht, wo sich der Unterschlupf des Meistervampirs (Robert Nairne), der Mina (Olivia Llewellyn) in seiner Gewalt hat, befindet: unter dem Dach des makabren Theaters „Grand Guignol“, in welchem Frankensteins Kreatur/Caliban (Rory Kinnear) als Bühnentechniker arbeitet. Doch diese Beschäftigung kommt zu einem jähen Ende als Caliban die Freundlichkeit der hübschen Schauspielerin Maud (Hannah Tointon) als romantisches Interesse fehldeutet und sich zu einer unerwünschten Annäherung hinreißen lässt. Völlig desillusioniert kehrt die Kreatur zu ihrem Schöpfer Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) zurück, der sein „Kind“ mit vorgehaltener Waffe gerne „erlösen“ möchte, es aber trotz Calibans Morden (an Proteus und Professor Van Helsing) nicht übers Herz bringt. Vanessa beendet ihre Affäre zu Dorian Gray (Reeve Carney) und erwischt ihn kalt, denn Zurückweisung kannte der Unsterbliche bisher nicht.

Mit Brona Croft (Billie Piper), der Geliebten Ethan Chandlers, geht es zu Ende. Die Schwindsucht hat ihren Körper ausgelaugt. Bevor sich Ethan von ihr verabschieden kann stirbt Brona durch die „Gnade“ von Dr. Victor Frankenstein, der mit ihrer sterblichen Hülle seine eigenen Pläne hat. Beim Kauf seiner neuen hochmodernen Pistole trifft Sir Malcolm Murray auf Evelyn Poole (Helen McCrory) alias Spiritualistin Madame Kali, welche in der kommenden zweiten Staffel noch eine besondere Rolle zu spielen hat. Helen McCrory, die unter anderem als Narzissa Malfoy in den Harry Potter-Filmen zu sehen war und außerdem in Skyfall (einem weiteren Bond-Film) eine kleine Rolle hatte, verstarb am 16. April 2021 im Alter von nur 52 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Zur Hochform durfte sie in PD noch auflaufen.

Im traditionsreichen „Splattertheater“ finden Sir Malcolm, sein Diener Sembene (Danny Sapani), Ethan, Victor und Vanessa den Meistervampir und seine Scherginnen. Malcolm gelingt es dem Blutsauger zur Strecke zu bringen und die Bedrohung somit zu stoppen, doch wird nun eine bittere Wahrheit ein für alle Mal klar: Tochter Mina ist ifest im Griff finsterer Mächte und nicht mehr zu retten. Als ob der Verlust Bronas und der Kampf mit den kreischenden Vampir-Minions nicht schon genug wäre wird Ethan auch noch von zwei Männern verfolgt (Stephen Lord, Julian Black Antalope), die sich als Detektive der berühmten Pinkerton-Agentur entpuppen. Ihr Auftrag lautet: Ethan nach Hause zu Daddy bringen, notfalls mit Gewalt. Während der ganzen Staffel wurde das schreckliche Geheimnis des Revolverhelden Mr. Chandler immer wieder angedeutet. Doch nun gibt es für das Tier im Manne kein Halten mehr. Als inszenatorisch gegensätzlichen Schlusspunkt der ersten Season konsultiert Vanessa einen weisen und verständnisvollen Priester (Henry Goodman), der sie mit einer völlig neuen Sichtweise ihrer besonderen Situation verblüfft.

Verblüffend auch wie nahezu perfekt sich die Episode präsentiert. Da werden in gerade einmal 54 Minuten wichtige Handlungsstränge (teils mit einer kuriosen „Beiläufigkeit“) vollendet und daneben auch schon etwas die zweite Staffel vorbereitet. Serienschöpfer/Autor Logan und Regisseur Hawes haben die Szenen perfekt geschrieben und durchkomponiert. Schauspielerisch empfehlen sich hier allein Eva Green, Timothy Dalton, Rory Kinnear, Josh Hartnett und Harry Treadaway für Preise, welche sie nie bekommen haben und auch nicht mehr erhalten werden. Normalerweise nicht so nah am Wasser gebaut bin ich allerdings bei der erneuten Sichtung von Grand Guignol aufgrund der hochwertigsten Intensität mehrfach in Tränen ausgebrochen. Penny Dreadful schafft es sieben Jahre nach der Premiere und fünf Jahre seit dem Serienende auf massive Art zu packen.

Anmerkung zur deutschen DVD-Auswertung: in den englischen Untertiteln zu dieser Episode hat sich ein Fehler eingeschlichen. Statt Evelyn Poole steht dort Evelyn Paul.

Penny Dreadful, 1×08: Grand Guignol
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 54 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: James Hawes.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.

 

 


Penny Dreadful Revisited VII: Possession

13. August 2020

Und wieder habe ich die „schaurige Penny“ zu sehr vernachlässigt. Vielleicht war es auch einfach ein wenig Respekt vor der siebten Folge, die ihren Titel nicht umsonst trägt.



„An animal scratching to get out.“

Die erotische Begegnung mit Dorian Gray hat in Vanessa Ives (Eva Green) etwas ausgelöst, einen Schalter umgelegt. Denn seitdem ist sie im wahrsten Sinne des Wortes vom Teufel bessessen. Nicht das erste Mal, aber bei dieser Gelegenheit besonders schlimm. Sir Malcolm (Timothy Dalton), Sembene (Danny Sapani), Ethan Chandler (Josh Hartnett) und Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) versuchen alles, um Vanessa irgendwie zu helfen.

Eva Green zeigt in dieser Folge zum dritten Mal nach Séance und Closer than Sisters eine unglaubliche schauspielerische Leistung, bei welcher ihr wirklich viel abverlangt wird. Es schmerzt wahrlich Vanessa bei ihrem qualvollen Konflikt mit dem Dämon in sich zuzusehen. Wie sie in einer Szene unruhig vor ihrem Bett kauert (siehe Bild unten) erinnert mich an den geschundenen Gollum aus Herr der Ringe. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass Miss Green mit ihrem äußerst präzisen und nuancenreichen Spiel auch in den „ruhigen“ Szenen mehr als überzeugt.

Doch Possession verkommt nie zur One-Woman-Show. Der Fokus rückt auch immer wieder auf Vanessas „Mitstreiter“, welche ihr im Kampf mit dem Bösen beistehen oder zumindest beizustehen versuchen. Denn mit der Zeit (sind es Tage oder gar Wochen?) hinterlässt die eigene Machtlosigkeit Spuren bei Malcolm, Ethan und Victor, etabliert gleichzeitig aber eine Art Zusammenhalt unter den so unterschiedlichen Männern. Spätestens jetzt wird klar, dass Vanessa Ives, deren unausweichliches Ende hier bereits „vorweggenommen“ wird, das emotionale Zentrum bzw erzählerische Herz der Serie bildet und die meisten der anderen Hauptfiguren um sich versammelt. Heutzutage würde man bei Miss Ives vermutlich eine dissoziative Identitätsstörung diagnostizieren.

Penny Dreadful, 1×07: Possession
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 57 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: James Hawes.

 

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.

 

 


Penny Dreadful Revisited VI: What Death Can Join Together

25. Juli 2020

Leider hab ich in den letzten Wochen meinen Rewatch von Penny Dreadful etwas schleifen lassen. Der wahrscheinliche Grund: denn die Blogger schreiben langsam. 😉



„Denn die Toten reiten schnell.“

Nachdem sich Closer than Sisters komplett einem Rückblick auf einschneidende Erlebnisse in Vanessa Ives‘ widmete kehren wir in der sechsten Folge wieder zur Haupthandlung zurück. Logan schafft es in 48 Minuten jeden der diversen Story Arcs voranzubringen.

Um den gesundheitlichen Zustand von Brona Croft (Billie Piper) ist es schlecht bestellt. Immerhin hat sie sich mit ihrem Geliebten Ethan Chandler (Josh Hartnett) versöhnt, der sich um sie kümmert und ihre Bedenken wegen der Ansteckungsgefahr beschwichtigt. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) lässt sich unterdessen vom erfahrenen Professor Van Helsing (David Warner) einen Ctashkurs in Sachen Vampirismus geben. Hierbei gibt es gleich zwei schöne Meta-Momente. Zum einen zitiert Frankenstein das Gedicht Adonais (1821) von Percy Bysshe Shelley (dem Ehemann seiner Schöpferin Mary Wollstonecraft Shelley), aus welchem wiederum der Titel der vorliegenden Folge entnommen wurde. Außerdem empfiehlt Van Helsing die „penny dreadfuls“ als aufschlussreiches Recherchematerials hinsichtlich der Blutsauger. Leider wird der Professor urplötzlich von Caliban (Rory Kinnear) fast wortwörtlich um die Ecke gebracht, aus Ungeduld darüber, dass Frankenstein bisher noch keine Braut für seinen „Erstgeborenen“ erschaffen hat. Caliban ist zudem unglücklich in Maud (Hannah Tointon), eine hübsche junge Schauspielerin aus dem Grand Guignol, verliebt.

Vanessa Ives (Eva Green), geschockt von dem Chaos, welches der geheimnisvolle Vampir (Robert Nairne) und sein Minion Fenton (Olly Alexander) zwei Episoden zuvor in ihrem Zimmer angerichtet haben, nimmt sich eine Auszeit von der Monsterjagd und trifft sich mit Dorian Gray (Reeve Carney) zu einem Portrait-Fotoshooting in dessen Villa. Hinterher ermutigt Sir Malcolm (Timothy Dalton) sie, doch auch den Abend mit Mr. Gray zu verbringen. Denn Malcolm plant mit Sembene (Danny Sapani) und Ethan eine gefährliche „Expedition“. In einem wegen Typhus-Verdacht unter Quarantäne stehenden Schiff entdeckt das Trio das Nest des Vampirs und seiner weißhaarigen, rotäugigen, weiblichen Anhänger. Nach einem Kampf der Vampir-Ladies mit unseren drei Helden bricht ein Feuer aus und der oberste Blutsauger kann mit Mina (Olivia Llewellyn) im Schlepptau fliehen. Malcolm ist konsterniert und will Vanessa von den Ereignissen des Abends berichten. Doch die ist wieder von bösen Mächten so gar nicht wunderbar geborgen, weil das erotische Abenteuer mit Dorian einen Schalter umgelegt hat. Die nächste Folge heißt nicht umsonst Possession.

Zum ersten Mal in der Serie darf hier Sembene mal das Wort ergreifen und Sir Malcolm seine Zweifel darüber mitteilen ob Mina wirklich noch gerettet werden kann. Das Anbandeln von Miss Ives und Mr. Gray wird wundervoll nuanciert zelebriert, vor allem dank ausgezeichneter Dialoge wie hier:

Vanessa Ives: I think Mr Gray, there are tremors around us, like the vibrations of a note of music – hidden music. Some may be more attuned to them than others, what do those people do? Those who have been chosen.
Dorian Gray: They endure uniqueness.
Vanessa Ives: To be alien, to be disenfranchised from those around you, is that not a dreadful curse?
Dorian Gray: To be different, to be powerful, is that not a divine gift?
Vanessa Ives: To be alone?
Dorian Gray: To be seeking.
Vanessa Ives: What?
Dorian Gray: Another.
Vanessa Ives: Like you?
Dorian Gray: Who shares your rarity.
Vanessa Ives: Then you are no longer unique.
Dorian Gray: Nor are you alone.

Penny Dreadful, 1×06: What Death Can Join Together
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 48 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: Coky Giedroyc.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.

 

 


Penny Dreadful Revisited IV: Demimonde

4. Juli 2020

In der vierten Folge von Penny Dreadful öffnen sich weitere Türen zu den Abgründen der Halbwelt.

You’re the daughter I deserve.“

Erstaunlich was alles in die 57 Minuten von Demimonde gepackt wurde. Und wohl deshalb ist die Episode so überaus gelungen. Im Zentrum der Handlung stehen dieses Mal besonders Dorian Gray (der nicht nur unter chronischer Unsterblichkeit leider, sondern in Staffel 1 auch dazu verflucht ist, nur in den Episoden mit gerader Zahl aufzutreten) und Ethan Chandler.

Dorian (Reeve Carney) ist jemand, der schon so gut wie alles im Leben durchgemacht und erlebt hat. Daher langweilen ihn wohl auch die gechillten Sex-Parties mit hübschen jungen Frauen und Männern. Vanessa Ives (Eva Green), die er bei der furchteinflößenden Séance kennen gelernt hat, fasziniert ihn. Und so verfolgt er ihre Schritte. So interpretiere ich zumindest sein „zufälliges“ Auftauchen in der Nähe der Kirche. Mit Fachwissen über exotische und giftige Blumen von besonderer Schönheit zieht Mr. Gray Miss Ives (Eva Green) in seinen Bann. Später treffen sich die beiden im Grand Guignol wieder.

Ich möchte auch einmal im Leben so eine herrliche, splattrige Bühnenshow wie im Grand Guignol erleben. Am nächsten kam dem eine Inszenierung von Macbeth in einem kleinen Theater in Aschaffenburg vor einigen Jahren. Bei der Rollenvergabe wurden die Geschlechter vertauscht (beide Frauenrollen spielte ein Mann, die männlichen Parts entsprechen Frauen) und während der Performance schmierten die Darsteller sich und die Wände auf der Bühne ständig mit roter Farbe ein. Hinterher mussten die Akteure übrigens selbst wieder alles saubermachen! Doch zurück zur PD-Folge. Der zuvor mehrfach erwähnte Hämatologe, den Sir Malcolm (Timothy Dalton) und Victor Frankenstein (Harry Treadaway) zu Rate ziehen, ist niemand Anderes als ein gewisser Professor Van Helsing (David Warner), der sich mit den mysteriösen Blutsaugern auszukennen scheint. Außerdem werden später die wahren Absichten des Meistervampirs (Robert Nairne) und seines „Minions“ Fenton (Olly Alexander) enthüllt.

Eigentlich wollte Ethan Chandler (Josh Hartnett) mit seiner todkranken Geliebten Brona Croft (Billie Piper) einen unterhaltsamen Abend im erwähnten Theater verbringen. Doch als die beiden während der Pause Dorian und Vanessa begegnen reagiert Brona eifersüchtig. Schließlich beendet sie ihre Beziehung mit Ethan und lässt diesen allein zurück. Dorian gabelt den völlig aufgelösten Ethan auf. Der Abend ist schließlich noch jung. Ehrlich gesagt konnte ich mich gar nicht mehr erinnern, wie deutlich hier bereits auf das dunkle Geheimnis des amerikanischen Revolverhelden angespielt wird ohne es definitiv zu enthüllen. Ethans ganzer Frust und seine Verzweiflung entladen sich schließlich in einer Schlussszene voller Erinnerungsfetzen mit ungewöhnlichem Ausgang. Und wie üblich ist das alles herausragend geschrieben, gespielt und inszeniert. Zum zweiten Mal führte hier Dearbhla Walsh Regie. Eine erkenntnisreiche, teils witzige und vor allem dramatische Folge.

Penny Dreadful, 1×04: Demimonde
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 57 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: Dearbhla Walsh.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime

 


Penny Dreadful Revisited III: Resurrection

24. Juni 2020

Zurück in die Halbwelt von John Logan, wo das grausame Schicksal einer Kreatur enthüllt wird und die Spur von Mina ins Reich der Tiere führt.



„We are the Janus mask. Inseparable. “

Dem kleine Victor Frankenstein (Gus Barry) kommen nach dem Ableben seines Hundes Zweifel daran, ob der Tod wirklich so „serene“ sein kann, wie ihn die romantischen Dichter beschreiben. Bei dieser Gelegenheit wird bereits das Gedicht Ode: Intimations of Immortality (1807) von William Wordsworth zitiert, welches die Serie 24 Episoden später beschließen soll. Wenig später verliert der kleine Victor auch seine Mutter sowie mit ihr den Glauben an einen poetischen Tod. Fortan stehen überwiegend Bücher zu Medizin und Biologie auf dem Leseplan. Frankensteins Obsession mit der Überwindung des Todes beginnt.

Zurück in der Gegenwart. Victors (Harry Treadaway) erste Schöpfung (Rory Kinnear) hat soeben seine zweite (Proteus) auf brutale Weise aus dem Leben gerissen. Das unverhoffte Wiedersehen nimmt Caliban (so der Name der Kreatur) zum Anlass, seinem „Vater“ die traurige Geschichte seiner Geburt und seines „Aufwachsens“ in Einsamkeit zu erzählen. Caliban arbeitet mittlerweile als Bühnenhelfer im Grand Guignol, einem für blutige Performances bekannten Theater, welches von dem exaltierten Altmimen Vincent Brand (Alun Armstrong) geleitet wird, der sich Frankensteins „Erstgeborenem“ angenommen hat.

Unterdessen begreift Ethan Chandler (Josh Hartnett), dass seine Geliebte Brona Croft (Billie Piper) an Tuberkulose erkrankt ist. Um an Geld für die nötige Behandlung zu gelangen lässt sich der Revolverheld wieder von Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton) und Vanessa Ives (Eva Green) engagieren. Die Suche nach Mina führt das Trio gemeinsam mit Malcolms Diener Sembene (Danny Sapani), der bisher kaum mehr als drei Sätze sagen durfte, nachts in den Londoner Zoo. Nach der Begegnung mit einem Rudel Wölfe, die dank Ethans Aura harmlos ausgeht entdeckt das Quartett einen „kleinen Vampir“: Fenton (Olly Alexander). Im Keller des Murray-Anwesens angekettet wird der Blutsauger-Boy verhört, mit wenig Erfolg, denn er faselt nur was davon, dass sein Meister allgegenwärtig sei. Es wird immer deutlicher, wer das eigentliche Ziel des namenlosen Finsterlings darstellt.

In dieser Folge sehen wir neben Fentons Angriffssprung die Szene zu einem weiteren Element des genialen Vorspann. Vanessa hat eine Erscheinung von Mina (Olivia Llewellyn) und lässt dabei in Zeitlupe ihre Tasse fallen. Das Spin-Off City of Angels hat leider kein virtuoses Opening, sondern nur ein paar Texteinblendungen. Das gibt Abzuge in der B-Note.

Keinerlei Beanstandungen gibt es bei der eindringlihen Darbietung von Rory Kinnear als Caliban/The Creature. Obwohl seine im Besten Sinne eigenwillige Physiogonomie hinter weißer Schminke verborgen scheint spielt der ebenfalls als „Sidekick“ Bill Tanner in den James-Bond-Filmen mit Daniel Craig bekannte Brite mit großer Feinfühligkeit. Autor Logan legt ihm wundervoll poetische und bildhafte Dialoge in den Mund. Das Ergebnis, wenn die einzige Gesellschaft Lyrik-Bände romantischer Dichter oder manche von Shakespeares Werken sind. Kinnear spielte übrigens bereits Caliban in Der Sturm auf der Bühne.

Als nächstes werde ich mich mit der dritten Folge von Penny Dreadful: City of Angels befassen.

Penny Dreadful, 1×03: Resurrection
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 46 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: Dearbhla Walsh.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime

 

 

 

 

 

 


Penny Dreadful Revisited II: Séance

15. Juni 2020

Weiter geht es beim Rewatch von Penny Dreadful. In der zweiten Folge wird unter anderem das Hauptfigurenensemble komplettiert. Und eine der denkwürdigsten Serien-Momente spielt sich ab…

 

„You do not belong here. Even less than I. „

Während die erste Episode „nur“ einen blutigen ersten Blick in die Abgründe der „Demimonde“ warf und sich geschickt in Vorahnung und Geheimniskrämerei hüllt so werden in Folge 2 die Tarotkarten schon ziemlich auf den Tisch gelegt. Séance ist unfassbar großartig. Doch wo soll ich anfangen?

Ethan Chandler (Josh Hartnett) und der Zuschauer lernen die todkranke irische Prostituierte Brona Croft (Billie Piper) kennen. Die beiden plaudern beim gemeinsamen „Whiskey-Frühstück“ über Gott und die Welt. Mit Bronas nächstem Job wird auch Dorian Gray (Reeve Carney) vorgestellt. Wahrlich creepy wie sich der unsterbliche Hedonist beim „Porno-Shooting“ (bewegte Bilder gab es 1891 noch nicht wirklich) an Bronas allmählich dahinsiechener Lebenskraft aufgeilt. Dazu spielt das Grammophon die Aria Mon cœur s’ouvre à ta voix aus der Oper Samson & Delilah von Camille Saint-Saëns (genial auch in der Interpretation von Klaus Nomi) und Teile von Richard Wagners Tristan und Isolde. Mr. Gray will see you now.

Den Großteil der Handlung verbringen wir allerdings mit Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) und seiner Schöpfung Proteus (Alex Price), einem wieder zum Leben erweckten Seemann. Der „Neugeborene“ lernt von seinem Schöpfer Sprechen und mehr, entdeckt die Welt in Frankensteins Labor-Dachboden und dann die draußen vor der Tür. Proteus-Darsteller Alex Price spielt diese (fast) völlig unschuldige Kindlichkeit mit herzerweichender Intensität. Umso schlimmer als am Ende Proteus‘ Leben im wahrsten Sinne des Wortes auseinandergerissen wird und Victors „Erstgeborener“ (Rory Kinnear) erstmals in Erscheinung tritt.

Die zentrale Szene, die mich mit dieser Serie entgültig „angefixt“ hat, spielt sich auf der illustren Okkult-Party von Ägyptologe Ferdinand Lyle ab, genüsslich tuckig und mit kuriosem Akzent (ein gesprochenes Rachen-R bei Briten hab ich noch nie gehört) von Theater-Ikone Simon Russell Beale verkörpert, hier in seinem zweiten und letzten Auftritt der Staffel. Dorian Gray ist auch zugegen und baggert gleich mal überaus wortgewandt Vanessa Ives (Eva Green) an, die ihm gekonnt Paroli bietet. Mr. Lyle hat eine gewisse Madame Kali (Helen McCrory; 2010 übrigens an der Seite von Alex Price in der Doctor Who-Folge The Vampires of Venice zu sehen) eingeladen, die mit ausgewählten Gästen, darunter Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton), Dorian und Vanessa, eine Beschwörung der Geister durchführt. Doch zu aller Entsetzen wird nicht Madame Kali, sondern Vanessa von finsteren Mächten in Besitz genommen. Sie windet und verrenkt sich, schnauft, faucht, wimmert, krächzt und spricht zu Sir Malcolm mit der Stimme seines verstorbenen Sohnes Peter und auch der von Mina. In Anbetracht der furiosen Performance von Eva Green an dieser Stelle hatte ich seit der letzten Sichtung dieser Episode fast vergessen, dass ja auch Timothy Dalton hier brilliert, wenn man in seinem tränenüberströmten Gesicht den tiefen Schmerz Sir Malcolms mitfühlen kann.

Serienschöpfer/Drehbuchautor John Logan, Regisseur J.A. Bayone (der nach dieser Folge leider keine weiteren von PD mehr inszenieren sollte), die Darsteller (vor allem Eva Green, Timothy Dalton und Alex Price) sowie die ganze Crew von Ausstattung, Kostüme, Kamera, Schnitt und Musik haben hier unfassbar Großes geschaffen. Sehr wahrscheinlich eine der drei besten PD-Episoden und nach meiner bescheidenen Meinung auch mit die besten 53 Minuten der letzten Fernseh-Dekade.

Demnächst in diesem von Logan’schem TV-Horror vereinnahmten Blog: der Text zum Rewatch von Folge 3 von Penny Dreadful und meine Gedanken zur zweiten Episode des Spin-Offs City of Angels.

 


Penny Dreadful, 1×02: Séance
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 53 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: J.A. Bayona.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.


Penny Dreadful Revisited I: Night Work

11. Juni 2020

Das baldige Verschwinden von Penny Dreadful aus dem Netflix-Angebot und den kürzlichen Deutschland-Start des unter Fans umstrittenen Spin-Offs Penny Dreadful: City of Angels habe ich zum Anlass genommen, mir die DVD-Komplettbox der viktorianischen Horror-Serie zu gönnen und einen Rewatch zu starten.

„It’s an invitation.“

London, September 1891. Die geheimnisvolle Vanessa Ives (Eva Green) und der Abenteurer Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton) engagieren den amerikanischen Revolverhelden Ethan Chandler (Josh Hartnett), um ein Nest schauriger Kreaturen aufzumischen. Sir Malcolm sucht dort seine von finsteren Mächten entführte Tochter Mina. Dem Arzt Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) gelingt es mit Elektrizität einen toten Körper wieder zum Leben zu erwecken.

Willkommen (zurück) in der düsteren Halbwelt von Penny Dreadful, jener einmaligen TV-Serie von John Logan, benannt nach den Grusel-Groschenheften des 19. Jahrhundert. Die Premierenepisode (in den USA am 11. Mai 2014 veröffentlicht) liefert einen perfekten Einstand. Geschickt etablieren Schöpfer und Drehbuchautor Logan sowie Regisseur J.A. Bayona (der auch die ersten beiden Folgen der kommenden Herr der Ringe-Serie von Amazon inszeniert) das Setting, die Figuren und den Look der Serie. Blutige Szenen wie aus einem Schlachthaus, geheimnisvolle Hieropglyphen auf einem nicht ganz menschlichen Körper, düstere Vorahnungen usw. Der Zuschauer erhascht hier einen ersten Blick auf die Demimonde, bevor in den folgenden Episoden tiefer in diese düstere Halbwelt eingedrungen wird.

 

 

Wenngleich hier noch nicht alle Hauptcharaktere auftreten (Dorian Gray, Brona Croft und Caliban tun dies erst in Folge 2) so hinterlässt das Ensemble bereits einen starken Eindruck. Neben Josh Hartnett als nur vordergründig lässigem Revolverhelden und Ex-Bond-Darsteller Timothy Dalton als zu allem entschlossenen Afrika-Forscher tut das vor allem Ex-Bondgirl Eva Green als rätselhafte und spirituell begabte Vanessa Ives. Was die französische Schauspielerin bereits in der allerersten Episode für Präzision und Ausstrahlung zeigt fasziniert mich auch etwa sechs Jahre nach meiner Erstsichtung immer noch. Eine wahrhaft immersive Performance. Hinsichtlich der Kameraführung sind mir zwei Szenen mit virtuos gefilmten, langen Takes im Gedächntis geblieben: Sir Malcolms unheimliche Begegnung in seinem Schlafzimmer und das Ende der Folge mit Victor und seiner neuen Schöpfung.

Night Work bietet wie jede einzelne Folge von Penny Dreadful unfassbar tolle Dialoge. Schließen möchte ich diesen Beitrag mit meinem (humoristischen) Lieblingszitat:

 

Sir Malcom: „You have the soul of a poet, sir.“
Dr. Victor Frankenstein:
„And the bank account to match.“


Penny Dreadful, 1×01: Night Work
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 51 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: J.A. Bayona.

Credits
Szenenfoto (c) Showtime


Penny Dreadful: bald NICHT mehr bei Netflix

2. Juni 2020

Einer der besten Serien des gerade vergangenen Jahrzehntes gibt es bald nicht mehr bei Netflix: Penny Dreadful. Warum mir diese Meldung eine eigenen Beitrag wert ist? Lest selbst…

Penny Dreadful, die in jeglicher Hinsicht reichhaltliche Horror-Pastiche von John Logan, war damals (Oktober 2014) der Grund, warum ich mich bei Netflix überhaupt angemeldet habe. Leider wird die Produktion des US-Bezahlsenders Showtime ab 19. Juni 2020 (Quelle: filmstarts.de) aus dem Angebot des roten N verschwinden. Vermutlich gibt es bei einem neuen Streaminganbieter von Showtime oder seinem Mutterkonzern bald eine neue virtuelle Heimat Für mich Anlass genug, mir endlich einmal die Komplettbox mit allen drei Staffeln auf DVD oder BluRay zu besorgen.

Amerikanisches Pay-TV und Streaming allgemein haben meinen Serienkonsum massiv geprägt und umgekrempelt. Und kaum eine Show hat wie „PD“ ihre Spuren bei mir hinterlassen. 27 Folgen habe ich mit den psychologisch sehr gut ausgearbeiteten Charakteren mitgelitten, wurde von dem Nebeneinander von Horror in unterschiedlichen Formen, Menschlichkeit und Poesie völlig fasziniert. Deswegen kann ich die Serie nur wärmstens empfehlen.

Die Handlung spielt überwiegend im viktorianischen London um 1890, welches einerseits von bekannten Figuren aus der viktorianischen Phantastik wie Dorian Grey, Frankenstein und seiner Kreatur sowie Dr. Jekyll bevölkert wird, andererseits aber auch unfassbar starke Original-Charaktere zu bieten hat. Es tummeln sich hier auch Unsterbliche, Vampire, Werwölfe und Hexen. Doch die richtigen Monster sind nicht selten die vermeintlich normalen Menschen.

Im Grunde stimmt hier fast alles: aufwändige Kulissen und Kostüme, Dialogie voller Poesie und Anspielungsreichtum, ein grandios-altmodischer Score von Abel Korzeniowski, überbordende, dennoch passende Effekte (Make-Up, CGI), vor allem aber mitreißende und herzerweichende Schauspieler-Leistungen. Dass Eva Green in der zentralen Rolle der von allerlei Dämonen geplagten Vanessa Ives und Rory Kinnear als Frankensteins Monster bei den großen Awards völligst übergangen wurden (Green erhielt „immerhin“ eine kümmerliche Golden-Globe-Nominierung) ist schon ein ziemlicher Skandal. Mit Ex-Bond Timothy Dalton als Sir Malcom Murray und Josh Hartnett als Revolverheld Ethan Chandler sind zwei sehr bekannte Darsteller im äußerst illustren Ensemble vertreten. Wenn „PD“ einen Makel hat, dann das leider etwas überhastete Ende in Staffel 3.

Am Montag (8. Juni 2020) startet in Deutschland das unter Fans umstrittene Spin-Off Penny Dreadful: City of Angels, ebenfalls aus der Feder von John Logan, bei Sky. Die neue Serie spielt im Los Angeles der 1930er zwischen sozialen Spannungen und mexikanisch-amerikanischer Folklore.

Ich schließe meine ausdrückliche Empfehlung mit den Schlussworten der Serie:

Where is it now, the glory and the dream?“

(aus Ode: Intimations of Immortality von William Wordsworth, 1807)

Linktipps:
Review zu Staffel 1
Review zu Staffel 2
Review zu Staffel 3

 

Penny Dreadful

PrintHorrorserie USA/UK/Irland 2014-2016. 27 Folgen in 3 Staffeln. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren.
In den Hauptrollen: Timothy Dalton, Eva Green, Josh Hartnett, Reeve Carney, Rory Kinnear, Billie Piper, Harry Treadaway, Danny Sapani, Simon Russell Beale, Helen McCrory, Patti LuPone, Wes Studi.
In weiteren Rollen:
Douglas Hodge, Sarah Green, Olivia Llewellyn, Shazad Latif, Christian Camargo, Noni Stapleton, Samuel Barnett, Stephen Lord, Jessica Barden, David Haig, Jonny Beauchamp u.a.
Idee:
John Logan. Drehbuch: John Logan, Andrew Hinderaker, Krysty Wilson-Cairns.
Regie: Damon Thomas, James Hawes, Brian Kirk, Pace Cabezas, J.A. Bayona, Coky Giedroyc, Dearbhla Walsh u.a. Kamera: John Conroy, Owen McPolin, Nigel Willoughby, P.J. Dillon, Xavi Giménez. Schnitt: Michele Conroy, Christopher Donaldson, Geoff Ashenhurst, Aaron Marshall, Jaume Martí, Bernat Vilaplana, Gareth C. Scales. Szenenbild: Jonathan McKinstry. Kostüme: Gabriella Pescucci. Musik: Abel Korzeniowski.

 

Credits
Bilder (c) Showtime.


Penny Dreadful – Das Serienfinale

6. Juli 2016

Eigentlich wollte ich die neuen Folgen von Penny Dreadful beim vorletzten Serien-Montag besprechen. Doch technische Probleme beim Streaminganbieter sorgten dafür, dass ich die beiden Episoden (die, wie ich zwischenzeitlich erfahren musste, das Serienfinale darstellen) erst später sehen konnte…

Warnung: Spoiler zu den letzten beiden Episoden!!!

Penny Dreadful_Cloud

Mit den letzten beiden Folgen der dritten Staffel (3×08/3×09) endet die in vielerlei Hinsicht geniale Horrorserie aus der Feder von Drehbuchautor John Logan (der zum Beispiel an den Scripts der letzten beiden James Bond-Filme beteiligt war). Da ich den Schock über den Verlust einer der, meiner geringen Ansicht nach, besten Serien seit langem erst einmal verdauen musste, hat es zwei Wochen bis zur Fertigstellung der Besprechung des Finales gedauert. Kommen wir nun zu den letzten 100 Minuten eigenwilliger und intensiver viktorianischer Phantastik aus dem Pay-TV.

3×08 „Perpetual Night“ / 3×09 „The Blessed Dark“

44 Minuten (3×08), 56 Minuten (3×09). Drehbuch: Krysty Wilson-Cairns (8), John Logan (9).
Regie: Damon Thomas (8), Paco Cabezas (9).

„And then all light will end and the world will live in darkness.The very air will be pestilence to mankind. And our brethren, the Night Creatures, will emerge and feed. Such is our power, such is our kingdom, such is my kiss.“ Vanessa Ives (Eva Green)
Penny Dreadful_3x09_Titel


Eigentlich hatte ich angefangen, jede einzelne Szene, oder zumindest jede wichtige, der beiden letzten Episoden aufzudröseln. Aber die Sache wurde mir nach einigen Tagen zu aufwändig. Daher werde ich mich auf die Analyse einzelner, besonderer Stellen beschränken.

Obigen Monolog (in fett und kursiv), der von Vanessa Ives zu Beginn der achten Folge gesprochen wird, ist neben der Abspielung einer Tonbandaufzeichnung das Einzige, was wir von der Figur erst einmal mitbekommen. Zu sehen gibt es die frischgebackene Dracula-Braut erst wieder in der allerletzten Episode.

Nachdem sich Frankensteins Kreatur (dessen richtigen Namen wir nie erfahren) wieder an sein Leben vor dem Tod erinnern konnte und die Wiedervereinigung mit seiner Familie, Ehefrau Marjorie und Sohn Jack, erfolgte, erliegt Jack wenig später seiner schweren Krankheit (da er öfter Blut hustete vermutlich Tuberkulose). Diese Szenen werden ruhig und pietätvoll gestaltet. Leider hat die Kreatur Marjorie von seiner Wiedererweckung durch Doktor Frankenstein erzählt und genau dieses Wunder erwartet die Gattin für den gerade verstorbenen Sohn. John Clare versucht ihr zu erklären, was diese Prozedur für entsetzliche Folgen haben kann, doch sie will nichts davon hören und verlangt von ihrem Mann den Sohn wieder lebendig machen zu lassen oder gar nicht zurück zu kommen. Und wieder bleibt der armen Kreatur von Frankensteins Gnaden ein Happy End verwehrt. In Rory Kinnears grandiosem Spiel manifestiert sich diese eindringliche Traurigkeit.

Penny Dreadful_3x08_LigaWas die Endzeitstimmung angeht, werden alle Register gezogen. Nebel und Dunkelheit umgeben London. Ratten bevölkern die Straßen, Kröten kriechen aus den Kanälen durch die Leitungen. Eine endlose Nacht wie es scheint. Malcolm, Ethan und Gaetana ziehen gemeinsam mit den Dres. Frankenstein und Seward sowie der ebenfalls kampferprobten Thanatologin Catriona Hartdegen in den Kampf gegen die Vampire und ihren Fürsten.

Zuvor entschließt Victor Frankenstein sich, Lily doch nicht durch das neue Wundermittel in eine „ordentliche Frau“ zu verwandeln. In einer intensiven Performance von Schauspielerin Billie Piper gelingt es der Unsterblichen ihrem Schöpfer klar zu machen, dass ihre Identität nicht nur aus der ursprünglich naiven, unschuldigen Lily besteht, sondern auch aus dem von allen Schattenseiten, die man sich vorstellen kann, geprägten Leben von Brona, die sich als Straßendirne verdingte und deren Tochter im Säuglingsalter gestorben ist. Victor lässt Brona/Lily schließlich ziehen („It’s too easy being monsters. Let us be humans then.“). Da kehrt Dr. Henry Jekyll von seinem Rundgang im Bedlam-Krankenhaus zurück und verkündet, dass sein verhasster Vater endlich Löffel und Adelstitel abgegeben hat. Victor gratuliert seinem Kollegen und nennt ihn bei seinem neuen Titel: Lord Hyde. Bei dem Foreshadowing zu Beginn der Staffel ist das natürlich eine eher enttäuschende Auflösung von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, aber näher betrachtet haben wir mit Brona Croft/Lily Frankenstein schon eine entsprechende Figur. Von daher ist es kein totaler Reinfall.

Penny Dreadful_3x08_DorianDorian Gray verbannt die Prostituierten, die im Ballsaal seiner großen Villa als Mitglieder von Lilys Slasher-Suffragetten-Bewegung zusammengefunden hatten, aus seinem Haus, und zwar dorthin zurück, wo sie hergekommen sind. Justine, die Chefacolytin, kann nicht zurück, schließlich wurde sie vor dem sicheren Tod in einem gruseligen Folterkeller gerettet. Dorian sieht das ein und nach einem letzten Kuss gibt er dem jungen Mädchen den Gnadengenickbruch. Subtil wird hier die letzte Szene zweier anderer Figuren angedeutet. Als Lily aus ihrer Gefangenschaft zurückkehrt, steht Dorian teilnahmslos im großen Saal, Justines Leichnam immer noch am Boden, als ob sie lediglich schliefe. Kurz vor dem Endkampf noch der Abschied von den beiden „Beloved Immortals“. Dorian Gray bekommt die Gelegenheit, seine letzten Szene in der Serie denkwürdig zu gestalten, mit einem ungemein poetischen Monolog:

„Do you not yet comprehend the wicked secret of the immortal? All age and die, save you. All rot and fall to dust, save you. Any child you bear becomes a crone and perishes before your eyes. Any lover withers and shrinks into incontinence and bent, toothless senility. While you, only you, never age. Never tire. Never fade. Alone. But after a time, you’ll lose the desire for passion entirely, for connection with anyone. Like a muscle that atrophies from lack of use. And one day you’ll realize you’ve become like them. Beautiful and dead. You have become a perfect, unchanging portrait of yourself.“ Dorian Gray (Reeve Carney)

Penny Dreadful_3x09_Dorian und die GemaeldeTolles Schlusswort für einen Unsterblichen, der anschließend fast verloren in seiner Halle steht, deren Wände von unzähligen Gemälden bedeckt sind. Wenn das kein Bewerbungsvideo für einen „Production Design Emmy“ ist! Und das Grammophon spielt Casta Diva aus der Oper Norma von Bellini.

Auch wenn das Finale von Penny Dreadful insgesamt recht antiklimatisch aufgezogen wird, so muss ein heftiger Showdown von Malcolm, Ethan, Kaetenay, Victor, Catriona und Dr. Seward gegen die Vampir-Schergen von Dracula schon sein, nach einer kurzen Begegnung mit Dracula himself, der seinen Schlachthausbesuchern freies Geleit und langes Leben anbietet. Doch das heterogene Sextett stürzt sich todesmutig ins Kampfgetümmel und gewinnt die Oberhand. Zwar können es unsere Helden mit der übermenschlichen Kraft Draculas nicht aufnehmen, aber Ethan gelingt es, fast unbemerkt zu entkommen und er macht sich auf die Suche nach Vanessa. Die ist auch nicht schwer zu finden. Denn der Weg in ihr „Refugium“ ist mit unzähligen Kerzen ausgelegt.

Penny Dreadful_3x09_VanessaIn einem Raum mit noch viel mehr Kerzen, der dem Mittelpunkt einer Kirche ähnelt findet er sie. Sie trägt ein graues, gewickeltes Kleid. Ihr Gesicht ist totenbleich, die Augen rot unterlaufen. Ethan bittet sie, mit ihm zu kommen, doch Vanessa weigert sich. Sie kann nicht weiter davonlaufen, nicht von sich selbst. Ethan erklärt ihr, dass auch er am Rande des Abgrunds stand, aber seinen Tiefpunkt überwunden hat. Vanessa hält dagegen. Ihr ewiger Kampf muss endlich enden. Schließlich erinnert Vanessa Ethan an ihr gemeinsames Schicksal: er muss ihr helfen, die Mächte der Finsternis zu besiegen, um dadurch das Ende aller Tage zu verhindern. Ethan weigert sich, das zu tun, was Vanessa gleich von ihm verlangen wird. Unter Tränen nimmt sie seinen Revolver und legt die Waffe in seine rechte Hand („With a kiss. With love.“). Dem letzten Kuss folgt das bewegendste „Vater Unser“ der ganzen Film- und Fernsehgeschichte. Dann drückt Ethan ab und hält die sterbende Vanessa im Arm, die mit ihrem letzten Atemzug Frieden findet.

Im Schlachthof sind Ethans Mitstreiter alle am Boden. Dracula droht gerade Malcolm zu erwürgen. Doch er wendet sich ab, weil er gewahr wird wie Ethan mit Vanessas Leichnam auf den Armen hervortritt. Voller Trauer sind die Blicke von Malcolm, Victor und den anderen, während die Sonne durch ein riesiges Loch im Dach herunterscheint. Das erste Mal seit Wochen. Der Nebel legt sich. London erwacht wieder zum Leben.

Malcolm und Ethan sinnieren über die Zukunft. Beide haben ihre Familien verloren, Malcolm spätestens mit seiner „Tochter“ Vanessa. Caliban/John Clare übergibt den toten Körper seines Sohnes nicht etwa an Victor Frankenstein sondern dem Fluss. WährendVanessas Sarg transportiert wird, Malcolm, Victor, Ethan, Catriona, Kaetenay und Dr. Seward an ihrem Grab stehen und Caliban aus der Ferne mittrauert, rezitiert er das Gedicht Ode: Intimations of Immortality (1804) des englischen romantischen Dichters William Wordsworth (1770-1850). Als die anderen Trauernden gegangen sind, kniet Caliban an Vanessas Grab.

THE END

Natürlich ist es nachvollziehbar, dass diese so tolle Serie mit dem Tod der zentralen Figur endet. Aber dennoch macht sich bei mir als großem Fan (und sicherlich auch bei anderen) Wehmut breit, ob des noch vorhandenen Potenzials der von Logan auf Basis der viktorianischen Phantastik adaptierten und erschaffenen Figuren. Auch wenn das Mysterium um Dorian Gray den Hauptreiz der Figur ausmacht, so hätten wir gerne mehr über den unsterblichen Dandy erfahren, z.B. wie lange er wirklich schon auf Erden weilt.

Wie würde eigentlich eine Begegnung von Ethan mit Brona/Lily aussehen? Und was spricht eigentlich für eine Spinoff-Serie mit dem Titel „The Immortals“, mit Dorian Gray, Brona Croft/Lily Frankenstein, Caliban/John Clare und Dracula in den Hauptrollen? Denn der von Christian Camargo (The Hurt Locker, House Of Cards) charismatisch verkörperte Vampirfürst verliert zwar durch den Tod seiner Geliebten unmittelbar seine Macht, stirbt aber nicht. Im Grunde genommen weiß man als Zuschauer gar nicht, was nach dem Finale mit ihm passiert. Eine von mehreren offenen Fragen am Ende.

Als Kandidaten für ein Nachfolgeprojekt würden sich theoretisch auch Sir Malcolm, Ethan und Catriona Hartdegen empfehlen, die gemeinsam ihren Kampf gegen die lauernden, dunklen Mächte mit der Lösung mysteriöser Fälle in London fortsetzen. Ägyptologe Ferdinand Lyle (den wir im PD-Finale schmerzlich vermisst haben) und Kaetenay könnten als Berater fungieren. Auch die Zukunft des noch jungen Victor Frankenstein birgt Potenzial für weitere Stories aus John Logans viktorianischer Feder. Doch ob und was für eine Fortführung es von Penny Dreadful überhaupt geben wird, das weiß nur Master Logan allein.

Der Schock über das für alle Fans plötzliche Serienende sitzt noch tief. Es heißt zwar im Volksmund: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Aber im Falle von Penny Dreadful hätten wir gerne noch mehr Schrecken im Sinne von ausgeklügeltem Horror erlebt. Um es mit einem Episodentitel aus der 2. Staffel zu sagen: Glorious Horrors.

9-10Penny Dreadful

PrintHorrorserie USA/UK/Irland 2014-2016. 27 Folgen in 3 Staffeln. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren.
In den Hauptrollen:
Timothy Dalton, Eva Green, Josh Hartnett, Reeve Carney, Rory Kinnear, Billie Piper, Harry Treadaway, Danny Sapani, Simon Russell Beale, Helen McCrory, Patti LuPone, Wes Studi.
In weiteren Rollen:
Douglas Hodge, Sarah Green, Olivia Llewellyn, Shazad Latif, Christian Camargo, Noni Stapleton, Samuel Barnett, Stephen Lord, Jessica Barden, David Haig, Jonny Beauchamp u.a.
Idee:
John Logan. Drehbuch: John Logan, Andrew Hinderaker, Krysty Wilson-Cairns.
Regie: Damon Thomas, James Hawes, Brian Kirk, Pace Cabezas, J.A. Bayona, Coky Giedroyc, Dearbhla Walsh u.a. Kamera: John Conroy, Owen McPolin, Nigel Willoughby, P.J. Dillon, Xavi Giménez. Schnitt: Michele Conroy, Christopher Donaldson, Geoff Ashenhurst, Aaron Marshall, Jaume Martí, Bernat Vilaplana, Gareth C, Scales. Szenenbild: Jonathan McKinstry. Kostüme: Gabriella Pescucci. Musik: Abel Korzeniowski.

Bilder und Dialogzitate (c) Showtime/John Logan.


TryFilm

Das kleine Wunder hat einen Namen: Tryfilm

DoomKittys Dark (Book-)Tower

There are other worlds than these ...

Aequitas et Veritas

Zwischendurchgedanken

Meine Welt der Bücher 📚

Rezensionen und mehr

Neue Filmkritik

braucht das Land

Apokalypse Film

Schaut vor der Apokalypse keine schlechten Filme!

Klappe!

Das Filmmagazin

Bette Davis left the bookshop

Bücher, Filme und viel mehr

VERfilmt&ZERlesen

Wo Kafka und Kubrick sich treffen

Schreiben als Hobby, kreativ sein - Poetik für Anfänger

Aus den Aufzeichnungen der Skáldkonur: Wo Worte sich zu Texten fügen, ist es Zeit für den Barden seine Geschichten zu erzählen.

11ersFilmkritiken

Ich heiße euch herzlich auf meinem Blog willkommen.

Weltending.

Buch. Musik. Film. Serie. Spiel. Ding.

Adoring Audience

Kritiken zu Filmen, Serien und Theater

Blaupause7

die Pause zur blauen Stunde

The Home of Horn

What i like, what i don't. Short Reviews, Top-Lists, Interests.

Sneakfilm - Kino mal anders

Kino…DVD…Blu-ray…und mehr!

trallafitti.blog

books. gaming. study.

Filmexe

Filme und Serien werden bei uns besprochen, in Form von Kritiken und auch einem Podcast. Jede Woche gibt es zwei Filmkritiken zu Filmen die gerade im Kino laufen oder auch schon länger draußen sind, der Filmpodcast heißt Filmexe Podcast.

Miss Booleana

says "Hello World!"

Marcel Michaelsen

Selbsternannter Schriftsteller

Trivial

Vendetta Vorm - fast eklig polygam

flightattendantlovesmovies

Die Flugbegleiterin, die gerne gute Filme und Serien guckt und darüber schreibt.

ergothek

Der Blog mit dem DeLorean

Filmschrott

Schlechte Filme von Mainstream bis Trash. Die Lücke ist kleiner als man denkt.

Singende Lehrerin

Tagebuch einer singenden, film-, serien- und theaterverrückten Lehrerin

Osnabrix - Xanders Blog

Ein Blog über Klemmbausteine, Filme, Fernsehen, Games, Bücher, Comics und sowas.

moviescape.blog

Texte über Filme, Serien, Popkultur, Laufen und das Vatersein.