Zwei emotional verkümmerte Mädchen fassen einen verheerenden Plan, in Vollblüter, dem Filmdebüt des Dramatikers Cory Finley.
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Kaltblüter?
Im wohlhabenden Connecticut. Einst waren Amanda (Olivia Cooke) und Lily (Anya Taylor-Joy) beste Freundin, doch mit der Zeit haben sie sich auseinander gelebt. Nun stehen die jungen Frauen aus reichem Hause kurz vor dem Schulabschluss und Lily gibt Amanda Nachhilfe. Amanda steht eine Verurteilung wegen Tierquälerei bevor, weil sie ihr krankes Pferd getötet hat. Amandas Unfähigkeit, Emotionen zu empfinden, und Lilys Probleme, mit Gefühlen umzugehen, bringt die beiden Mädchen wieder zusammen. Sowie die Abneigung gegen Lilys reichen Stiefvater Mark (Paul Sparks). Amanda schlägt Lily daher vor, Mark umbringen zu lassen. Der halbseidene Drogendealer Tim (Anton Yelchin) soll die Tat ausführen…
Cory Finley ist ein junger Dramatiker aus Missouri. 2017 feierte sein Filmdebüt Vollblüter beim Sundance Festival Weltpremiere. Das von ihm verfasste und umgesetzte Drehbuch sollte ursprünglich als Bühnenstück aufgeführt werden, was man dem fertigen Werk auch anmerkt. Das Personal ist auf wenige Figuren reduziert und so manche wichtige Szene wird nicht direkt gezeigt. Generell verzichtet man hier völlig auf jegliche effektheischende Mittel. So überzeugt Vollblüter als in sich stimmiges Psychogramm zweier emotional verkrüppelter junger Frauen. Die eine hat eine nicht genau bestimmte psychische Erkrankung und daher keine Empfindungen, kann diese aber dank jahrelangem Selbsttraining perfekt simulieren. Die andere hat zwar Gefühle, kommt mit diesen jedoch nicht zurecht. Finley illustriert dieses Stimmungsbild gekonnt mit einer leisen, sterilen und doch unheilsschwangeren Inszenierung, welche vor allem durch das dezente Sounddesign, etwa durch das im Hintergrund zu vernehmende Geräusch des Ruderergometers von Lilys Stiefvater, besticht. Bisweilen fühlte ich mich dabei an Yorgos Lanthimos‘ The Killing of a Sacred Deer erinnert. Dazu hat Creative-Jazz-Musiker/Cellist Erik Friedlander einen eigentümlichen, teils percussionlastigen Score komponiert.
Den Main Selling Point bilden aber die beiden Hauptdarstellerinnen Olivia Cooke (Ready Player One, Sound of Metal), die ich hier zum ersten Mal erlebe, und Anya Taylor-Joy (Split, Emma [2020], The New Mutants). Mit reduziertem und zugleich nuanciertem Spiel erweist sich das Duo als Ausnahmeerscheinungen unter jungen Schauspielern. Eigentlich fehlt es den Protagonistinnen zumindest in finanzieller Hinsicht an nichts, doch glücklich sind/werden sie durch ihr privilegiertes Umfeld nicht. Vor allem Lily fühlt sich von ihrem Stiefvater, den ihre Mutter nach dem Tod des Vaters vor ein paar Jahren geheiratet hat, eingeengt, obwohl dieser nicht unbedingt als Bösewicht rüberkommt, obgleich er Ehefrau und Stieftochter streng unter Kontrolle zu halten versucht. In seiner letzten Rolle ist hier der im Juni 2016 unter tragischen Umständen mit nur 27 Jahren verstorbene Anton Yelchin (bekannt als Pavel Chekov aus den Star Trek-Reboot-Filmen) zu sehen. Sein Part fällt nicht groß aus, erweist sich aber als wichtig. Ähnlich wie Vollblüter als starker Indie-Geheimtipp.
Vollblüter ist seit dem 13. Dezember 2019 auf DVD und BluRay erhältlich sowie mittlerweile auch Teil des Angebots diverser Streaminganbieter.
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Vollblüter (Thoroughbreds)
Drama/Thriller USA 2017. FSK 16. 92 Minuten.
Mit: Olivia Cooke, Anya Taylor-Joy, Paul Sparks, Anton Yelchin u.a. Drehbuch und Regie: Cory Finley.
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Credits
Bilder (c) Universal.