John Nolan beginnt seinen Dienst bei der Polizei von Los Angeles, als ältester Neuling aller Zeiten, in der Krimiserie The Rookie, mit Nathan Fillion (Firefly, Castle) in der Hauptrolle.
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Midlife in Mid-Wilshire
Nach Abbruch seines Jura-Studiums hat John Nolan (Nathan Fillion) gut zwanzig Jahre in der Baubranche gearbeitet. Die Scheidung von seiner Ehefrau, mit welcher er einen Sohn hat, zieht ihm allerdings den Boden unter den Füßen weg. Doch als es ihm gelingt, bei einem Banküberfall den Täter zu überwältigen, bekommt sein Leben eine neue Wendung und so beginnt er seine Ausbildung zum Polizisten in Los Angeles. Mit 45 Jahren ist er der älteste Rookie des LAPD aller Zeiten. Ausbildungsleiter Sergeant Wade Grey (Richard T. Jones) sieht in Nolan allerdings eher eine Midlife-Crisis auf zwei Beinen. Nach einem mehrmonatigen Lehrgang auf der Polizeiakademie startet für Nolan und seine jüngeren Rookie-Kollegen Lucy Chen (Melissa O’Neil) und Jackson West (Titus Makin Jr.) die Ausbildung im Streifendienst. Ihre Ausbilder, Talia Bishop (Afton Williamson), Tim Bradford (Eric Winter) und Angela Lopez (Alyssa Diaz), führen die Neulinge in den harten Polizeialltag ein. Werden es die drei Rookies schaffen, sich zu bewähren?
Nathan Fillion (geboren 1971) gehört zu den Schauspielern, die ich immer wieder gerne sehe. Seine erste große Hauptrolle ergatterte der kanadisch-amerikanische Akteur in Joss Whedons kultiger, aber nach nur einer Staffel eingestellten Science-Fiction-Western-Serie Firefly (2002/03) sowie dem dazugehörigen Kinofilm Serenity (2005). Nach Gastauftritten bei Buffy, the Vampire Slayer und Desperate Housewives spielte Fillion acht Staffeln lang den titelgebenden Schriftsteller in der Krimiserie Castle (2009-16) und erreicht damit den bisherigen Höhepunkt seine Karriere. Im Kino war er unterdessen in Super – Shut Up, Crime!(2010) von James Gunn, Joss Whedons Shakespeare-Adaption Viel Lärm um Nichts (2012) und Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen (2013) zu sehen. Zwei Jahre nach dem Ende von Castle trat Fillion wieder als leading man in einer Serie in Erscheinung. In The Rookie spielt er einen 45jährigen Mann, der seinen Dienst als ältester Neuling der Polizei von Los Angeles antritt.
Bild (c) eOne/ABC
Die Prämisse basiert auf der wahren Geschichte von William Norcross, welcher mit Mitte 40 begann, beim Los Angeles Police Department zu arbeiten und als einer der ausführenden Produzenten der Serie fungiert Das LAPD ist nur eine von zwei Polizeibehörden in den USA, welche neue Rekruten über 37 akzeptiert. Auf den ersten Blick klingt die von Alexi Hawley (früher Showrunner bei Castle) entwickelte Show nach klassischer Procedural-Kost. Vom Format her und was einige Elemente betrifft trifft diese Annahme auch zu. Doch insgesamt präsentiert sich The Rookie in seiner Premierenstaffel als angenehm erfrischend.
Stand bei Castle die Aufklärung eines, meist ziemlich konstruierten Mordfalls im Zentrum der Handlung, so dreht sich hier alles um alltägliche Polizeiarbeit. Von kleinen (Verkehrs-)Delikten bis hin zu schweren Straftaten ist die komplette Bandbreite vertreten. Nolan und seine Kolleg*innen bekommen vom ersten Tag zu spüren, wie brutal und traumatisch der Alltag von Polizeibeamten sein kann. In der Regel begleiten die Gesetzeshüter einen Fall auch nur bis zur Festnahme. Nicht selten steckt mehr hinter den anfänglich kleinen Delikten als es zuerst den Anschein hat.
Durch die inhaltliche Ausrichtung wirkt The Rookie authentischer als manch andere Cop-Serie. Eine völlig realistische Wiedergabe des Polizeialltags sollte man allerdings nicht erwarten. Denn das Autorenteam um Hawley liefert dann doch hier und da konstruierte Elemente oder etwas unwahrscheinliche Wendungen. Inszenatorisch greift man hier nicht nur auf die üblichen Dronen-Aufnahmen und gängige Kameraführung zurück, sondern ergänzt die Einsatz-Szenen mit Material aus den Bodycams der Polizisten. Dieser Kniff erweitert die Perspektive und ermöglicht es den Zuschauer*innen besser in das Geschehene einzutauchen.
Bild (c) eOne/ABC
Der von Nathan Fillion mit Everyman-Charme gespielte John Nolan steht weniger im Mittelpunkt als man vermuten würde. Zwar besitzt der Titelheld die meiste Screentime, doch auch Melissa O’Neil (Dark Matter) als Lucy Chen, die gegen den Willen ihrer Eltern zur Polizei ging, und Titus Makin Jr. (Star-Crossed) als Jackson West, welcher versucht aus dem Schatten seines Vaters, des Commanders bei der Internen Ermittlung, zu treten, bekleiden zentrale Rollen. Genau wie Alyssa Diaz (Zoo), Afton Williamson (Banshee: Small Town. Big Secrets) und Eric Winter (Witches of East End) als deren Ausbilder Angela Lopez, Talia Bishop und Tim Bradford, welche auch eigene Storylines erhalten. Spannend ist jedenfalls einerseits die Figurendynamik sowie die Lektionen der Rookies zu beobachten. Ich war jedenfalls positiv überrascht und habe eine Produktion von der Stange erwartet. Hier wird jedenfalls immer viel aus der eher kurzen Episodenlaufzeit von 42-43 Minuten gemacht.
Die erste Staffel von The Rookie ist auf DVD erschienen sowie als Stream bei Amazon Prime, Disney+, Netflix und WOW verfügbar.
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The Rookie: Staffel 1 (The Rookie: Season 1) Krimiserie USA 2018/19. 20 Folgen. Gesamtlänge: ca. 860 Minuten. Mit: Nathan Fillion, Alyssa Diaz, Richard T. Jones, Titus Makin Jr., Mercedes Mason, Melissa O’Neil, Afton Williamson, Eric Winter u.a. Idee: Alexi Hawley.
Ein abgehalfterter Musiker macht sich mit seinem Klavier auf den beschwerlichen Weg nach Hause quer durch Australien und trifft dabei auf eine jugendliche Ausreißerin, in der Roadmovie-Serie Upright aus Down Under.
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Bild (c) Foxtel/Sky.
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Piano Man and Runaway Girl
Vor Jahren spielte Musiker Lucky (Tim Minchin) mit seinem Bruder Toby (Daniel Lapaine) recht erfolgreich in einer Band. Doch nach einem schweren Streit verließ Lucky die Familie. Doch dann erhält er die Nachricht, dass seine Mutter Jen (Heather Mitchell) schwer krank ist und nicht mehr lange zu leben hat. Das Klavier seiner Großmutter, auf welchem er einst das Spielen lernte, im Schlepptau, macht sich Lucky auf den langen, knapp 4.000 km langen Weg von Sydney nach Perth. Unterwegs kommt es zu einem Unfall, bei welchem die 16jährige Ausreißerin Meg (Milly Alcock) leicht verletzt wird. Lucky bringt sie ins Krankenhaus. Schließlich raufen sich die beiden grundverschiedenen Reisenden zusammen und setzten ihren Trip gemeinsam fort. Meg erklärt, dass sie unterwegs ist, um ihre Mutter zu besuchen. Auf ihrem gemeinsam Weg durch die Nullarbor-Wüste erleben Lucky und Meg kuriose Begegnungen und einige Rückschläge…
Mehr oder minder zufällig stieß ich auf die vorliegende Co-Produktion des australischen Pay-TV-Anbieters Foxtel und Sky. Das Poster erweckt den Eindruck einer ComedySerie. Zwar beinhaltet Upright die ein oder andere lustige Szene, doch handelt es hierbei eindeutig um ein Drama. Der Titel bezieht sich auf das „upright piano“ („aufrechtes“ Klavier oder Pianino), welches Lucky quer durchs Land transportiert.
Geschaffen und geschrieben wurde die Serie von den Schauspielern/Autoren Leon Ford (Elvis [2022]) und Kate Mulvany (Lambs of God) sowie TV-Autor Chris Taylor (The Chaser Decides) und Musiker/Comedian Tim Minchin (u.a. Schreiber/Komponist der Musical-Version von Matilda auf Netflix). Minchin spielte auch die Hauptrolle des Lucky, komponierte die Musik und führte gemeinsam mit Matthew Saville (Please Like Me) bei zwei von acht Episoden Regie. Als Meg sehen wir die damals 18jährige Milly Alcock, seit letztem Jahr als jüngere Prinzessin Rhaenyra Targaryen in House of the Dragon, dem Game of Thrones-Prequel nach Vorlage von George R.R. Martin, international bekannt.
Bild (c) Foxtel/Sky.
Neben den unwirtlichen, fast post-apokalyptischen Bedingungen in der Wüste, die teils von Kangurus, Kamelen und giftigen Schlangen bewohnt wird, verortet das Roadmovie-Drama seine Handlung auch durch den eigentümliche Charme der meist sonnigen Bewohner Australiens. Die beiden Protagonisten erleben dabei nicht nur gefährliche „Abenteuer“, sondern zusätzlich so manch aberwitzige Situation. Tim Minchin darf seine musikalischen Fähigkeiten in die Performance als Lucky mit einfließen lassen. Anfangs noch widerwillig beginnt dieser mit zunehmender Laufzeit öfter auf dem titelgebenden Instrument zu spielen. Die Eigenkompositionen von Minchin werden durch einige durchaus bekannte Songs ergänzt, etwa Livin‘ Thing von Electric Light Orchestra oder Elephant von Tame Impala. Ganz prominent in einer Szene der vierten Folge und im dazugehörigen Abspann wird Never Tear Us Apart von INXS in den Vordergrund gerückt.
Luckys Vergangenheit und wie es zum Bruch mit seiner Familie kam wird sukzessive in Rückblenden über die Episoden verteilt enthüllt. Die minderjährige Meg hat selbst mit eigenen Dämonen zu kämpfen, versteckt diese aber meist hinter ihrer resoluten, unberechenbaren Art. Die Chemie zwischen Tim Minchin und Milly Alcock als „odd couple“ bildet das Herzstück der turbulenten achtteiligen Aussie-Odysee, in welcher es immer wieder menschelt.
Die erste Staffel von Upright ist noch bis 11.02.2023 kostenlos in der ARD-Mediathek (sowohl in der englischen Originalversion als auch der deutschen Synchronfassung) abrufbar. Außerdem gibt es die Serie als Stream bei Sky, Wow und Magenta TV. Im November 2022 ist in Australien eine zweite Staffel erschienen.
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Upright: Staffel 1 (Upright: Season 1) Roadmovie/Drama-Serie Australien, UK 2019. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 225 Minuten. Mit: Tim Minchin, Milly Alcock, Heather Mitchell, Daniel Lapaine, Ella Scott Lynch u.a. Idee und Drehbuch: Tim Minchin, Leon Ford, Kate Mulvany, Chris Taylor. Regie: Matthew Saville und Tim Minchin.
Was bietet sich besser als Auftakt zum diesjährigen Horrormonat an als eine Folge der genialen Serie Penny Dreadful? Und nicht irgendeine, sondern das intensive Finale von Staffel 1.
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„Do you really want to be normal?“
James Bond ist quasi Schuld, dass der Beginn meines Horroctobers 2021 etwas verspätet kommt. Dass ich meine im Juni 2020 begonnene und nach Folge sieben der ersten Staffel unterbrochene Wiederholungssichtung von John Logans genialer Horrorpastiche Penny Dreadful seit August 2020 (!) nicht fortgesetzt habe, dafür bin ich dagegen alleinverantwortlich, trotz des mich ständig verfolgenden Dämons der Faulheit. Vom bekanntesten Geheimagenten der Filmgeschichte zur viktorianischen Phantastik in TV-Form lässt sich aufgrund der Darsteller gut überleiten. Timothy Dalton alias Sir Malcolm Murray war der vierte offizielle Darsteller des Doppelnullagenten (in Der Hauch des Todes von 1987 und Lizenz zum Töten von 1989) und Eva „Vanessa Ives“ Green verkörperte in Daniel Craigs Debüt Casino Royale(2006) mit Vesper Lynd eines der wichtigsten Bondgirls aller Zeiten. Dazu kommt Rory Kinnear alias Frankensteins Kreatur, dessen bekannteste Kinorolle sicherlich die des Bill Tanner aus den vier letzten 007-Streifen ist. Doch lassen wir die glamouröse Welt der internationalen Spionage hinter uns und steigen wir hinab in die Demimonde, wo es im titelgebenden Theater zum Showdown mit dem Meistervampir kommt. Doch in dieser in mehrfacher Hinsicht denkwürdigen Episode passiert noch soviel mehr.
Während ihrer traumatischen Phase der Bessessenheit (siehe Folge 7) hat Vanessa Ives (Eva Green) in Erfahrung gebracht, wo sich der Unterschlupf des Meistervampirs (Robert Nairne), der Mina (Olivia Llewellyn) in seiner Gewalt hat, befindet: unter dem Dach des makabren Theaters „Grand Guignol“, in welchem Frankensteins Kreatur/Caliban (Rory Kinnear) als Bühnentechniker arbeitet. Doch diese Beschäftigung kommt zu einem jähen Ende als Caliban die Freundlichkeit der hübschen Schauspielerin Maud (Hannah Tointon) als romantisches Interesse fehldeutet und sich zu einer unerwünschten Annäherung hinreißen lässt. Völlig desillusioniert kehrt die Kreatur zu ihrem Schöpfer Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) zurück, der sein „Kind“ mit vorgehaltener Waffe gerne „erlösen“ möchte, es aber trotz Calibans Morden (an Proteus und Professor Van Helsing) nicht übers Herz bringt. Vanessa beendet ihre Affäre zu Dorian Gray (Reeve Carney) und erwischt ihn kalt, denn Zurückweisung kannte der Unsterbliche bisher nicht.
Mit Brona Croft (Billie Piper), der Geliebten Ethan Chandlers, geht es zu Ende. Die Schwindsucht hat ihren Körper ausgelaugt. Bevor sich Ethan von ihr verabschieden kann stirbt Brona durch die „Gnade“ von Dr. Victor Frankenstein, der mit ihrer sterblichen Hülle seine eigenen Pläne hat. Beim Kauf seiner neuen hochmodernen Pistole trifft Sir Malcolm Murray auf Evelyn Poole (Helen McCrory) alias Spiritualistin Madame Kali, welche in der kommenden zweiten Staffel noch eine besondere Rolle zu spielen hat. Helen McCrory, die unter anderem als Narzissa Malfoy in den Harry Potter-Filmen zu sehen war und außerdem in Skyfall (einem weiteren Bond-Film) eine kleine Rolle hatte, verstarb am 16. April 2021 im Alter von nur 52 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Zur Hochform durfte sie in PD noch auflaufen.
Im traditionsreichen „Splattertheater“ finden Sir Malcolm, sein Diener Sembene (Danny Sapani), Ethan, Victor und Vanessa den Meistervampir und seine Scherginnen. Malcolm gelingt es dem Blutsauger zur Strecke zu bringen und die Bedrohung somit zu stoppen, doch wird nun eine bittere Wahrheit ein für alle Mal klar: Tochter Mina ist ifest im Griff finsterer Mächte und nicht mehr zu retten. Als ob der Verlust Bronas und der Kampf mit den kreischenden Vampir-Minions nicht schon genug wäre wird Ethan auch noch von zwei Männern verfolgt (Stephen Lord, Julian Black Antalope), die sich als Detektive der berühmten Pinkerton-Agentur entpuppen. Ihr Auftrag lautet: Ethan nach Hause zu Daddy bringen, notfalls mit Gewalt. Während der ganzen Staffel wurde das schreckliche Geheimnis des Revolverhelden Mr. Chandler immer wieder angedeutet. Doch nun gibt es für das Tier im Manne kein Halten mehr. Als inszenatorisch gegensätzlichen Schlusspunkt der ersten Season konsultiert Vanessa einen weisen und verständnisvollen Priester (Henry Goodman), der sie mit einer völlig neuen Sichtweise ihrer besonderen Situation verblüfft.
Verblüffend auch wie nahezu perfekt sich die Episode präsentiert. Da werden in gerade einmal 54 Minuten wichtige Handlungsstränge (teils mit einer kuriosen „Beiläufigkeit“) vollendet und daneben auch schon etwas die zweite Staffel vorbereitet. Serienschöpfer/Autor Logan und Regisseur Hawes haben die Szenen perfekt geschrieben und durchkomponiert. Schauspielerisch empfehlen sich hier allein Eva Green, Timothy Dalton, Rory Kinnear, Josh Hartnett und Harry Treadaway für Preise, welche sie nie bekommen haben und auch nicht mehr erhalten werden. Normalerweise nicht so nah am Wasser gebaut bin ich allerdings bei der erneuten Sichtung von Grand Guignol aufgrund der hochwertigsten Intensität mehrfach in Tränen ausgebrochen. Penny Dreadful schafft es sieben Jahre nach der Premiere und fünf Jahre seit dem Serienende auf massive Art zu packen.
Anmerkung zur deutschen DVD-Auswertung: in den englischen Untertiteln zu dieser Episode hat sich ein Fehler eingeschlichen. Statt Evelyn Poole steht dort Evelyn Paul.
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Penny Dreadful, 1×08: Grand Guignol
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 54 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: James Hawes.
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies sind die (gezeichneten) Abenteuer des Raumschiffes Cerritos. Die Besatzung des Föderationsschiffes bekommt meist die ehrenvolle Aufgabe des zweiten Kontakts und anderer weniger ruhmreicher Mission, in der animierten Serie Star Trek: Lower Decks.
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Helden aus der zweiten Reihe
Unter dem Kommando von Captain Carol Freeman (Sprecherin: Dawnn Lewis) und ihren Führungsoffizieren Commander Ransom (Jerry O’Connell), Sicherheitschef Shaxs (Fred Tatasciore) sowie Chefärztin Dr. T’Ana (Gillian Vigman) absolviert die Crew der USS Cerritos meist wenig ruhmreiche, aber doch wichtige und schwierige Missionen der Sternenflotte. Nicht selten stehen dabei weniger die hochrangigen Crewmitglieder im Vordergrund, sondern vielmehr die jungen Offiziere aus den „unteren Decks“, wie etwa die Schwierigkeiten suchende Beckett Mariner (Tawny Newsome), der ambitioniert-ängstliche Brad Boimler (Jack Quaid) sowie die beiden Wissenschaftsnerds D’Vana Tendi (Noël Wells) und Sam Rutherford (Eugene Cordero), welcher mit einem kybernetischen Implantat ausgestattet wurde. Werden die vier Ensigns an ihren Aufgaben wachsen?
Seitdem der ansonsten für Blockbuster-Trash wie Transformers zuständige Alex Kurtzman die kreative Führung in der Fernsehsparte des von Gene Roddenberry (1921-1991) ins Leben gerufenen Star Trek-Universums übernommen hat erlebt das Franchise eine Renaissance mit mehreren, gleichzeitig laufenden SProjekten. Es begann 2017 mit Star Trek: Discovery, jener im ganz für sich stehenden Mary-Sue-Burnham-ist-größer-als-Gott-Fanfiction-Universum angesiedelten Show, welche erst kurz vor den Abenteuern von Kirk & Co spielte, nur um mit Staffel 3 so weit in die Zukunft vorzudringen wie es noch nie eine Trek-Serie zuvor getan hatte. Parallel erschien die Kurzfilm-Anthologiereihe Short Treks (von welcher die zweite Staffel immer noch darauf wartet, in Deutschland veröffentlicht zu werden). 2020 begab sich dann der beliebteste Captain der Sternenflotte, Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) im hohen Alter auf neue Abenteuer, in Star Trek: Picard, deren zweite Season im Februar 2022 veröffentlicht werden soll. Weitere Shows sind in der Mache oder stehen kurz vor ihrer Veröffentlichung. Die Animationsserie Star Trek: Prodigy richtet sich an die ganz jungen Zuschauer und bietet unter anderem Kate Mulgrew als Captain Janeway aus Raumschiff Voyager im Voicecast auf. Star Trek: Strange New Worlds hingegen dreht sich um die Missionen der Enterprise unter dem Kommando von Captain Pike (Anson Mount) an der Seite von Spock (Ethan Peck) und Number One (Rebecca Romijn), wobei diese drei Figuren im Burnhamverse neu aufgelegt wurden. Doch vorher gab es da noch die ebenfalls animierte Show Lower Decks von Mike McMahan (bekannt für Solar Opposites), welche mittlerweile sogar in der zweiten Runde läuft. Eine dritte Staffel befindet sich bereits in Produktion. Nach Star Trek: The Animated Series (1973-74, deutscher Titel Die Enterprise) ist Lower Decks erste die zweite Zeichentrickserie aus dem Franchise.
In fast allen Episoden sämtlicher Star Trek-Serien standen meist die führenden Offiziere im Zentrum der Handlung. Die 15. Folge der siebten Staffel von The Next Generation, Lower Decks (deutscher Titel: Beförderungen; 1994), widmete sich allerdings einer Gruppe von Crewmitgliedern am Anfang ihrer Karriere. In die gleiche Kerbe schlagen McMahan und sein Autorenteam mit der neuen Trickserie. Die Führungsoffiziere spielen zwar eine gewichtige Rolle, aber im Fokus der Geschichten stehen vier junge Sternenflottenabsolventen, welche noch eher wenig Erfahrung haben und ihren Platz an Bord eines Föderationsraumschiffes suchen. Mit einer von vorneherein auf Comedy getrimmten Serie betritt Lower Decks auf jeden Fall Neuland. Hinsichtlich Dialoge und Gags legt die Zeichentrickserie ein sehr, bisweilen ein wenig zu hohes Tempo vor. Insgesamt macht das die ganze Angelegenheit zwae teilweise anstrengend, aber auch angenehm kurzweilig. Was die Dynamik unter den vier Hauptfiguren angeht so fühlte ich mich sehr an She-Ra und die Rebellenprinzessinnen (2018-2020) erinnert, obgleich sich Lower Decks an ein eher erwachsenes Publikum richtet.
Die Cerritos fliegt sicherlich sehr im Fahrwasser der wesentlich prominenteren USS Enterprise D unter dem Kommando von Captain Picard, was man auch daran sieht, dass im selbstironischen Vorspann die gleiche Schriftart wie bei TNG Verwendung findet. Eine durchgehend humoristische Annäherung an Star Trek ist auch nach über 50 Jahren noch irgendwie neu. Dabei orientiert sich die Show von McMahan sehr an The Orville, jener Comedyserie von Autor/Hauptdarsteller Seth MacFarlane, die eigentlich in einem eigenen Universum spielt, sich aber deutlich als Parodie des bekannten Sternenflotten-Perfektionismus versteht. Die jungen Offiziere sind noch eher unerfahren, aber selbst die erfahrenen Mitglieder der Führungscrew agieren mitunter genauso trottelig oder in purer Selbstüberschätzung. Commander Ransom, der erste Offizier, fungiert freilich als überzeichnete Karikatur von Commander William Riker oder (wenn man so will) auch eines jüngeren Captain Kirks. Mit Antiheldin Beckett Mariner, die ein heikles Geheimnis mit sich herumträgt, haben wir hier sogar eine einigermaßen komplexe Figur. Sie besitzt einerseits das Potenzial, um mehr als ein einfacher Ensign (früher übersetzt mit Fähnrich) zu sein, andererseits torpediert die junge Frau ihre eigenen beruflichen Chancen durch inaktzeptables Verhalten. Im Grunde eine besser ausgearbeitete und weniger egomane Michael Burnham. Beide haben jedenfalls gemeinsam, dass sie mit vielen „Stars“ der Föderation auf Du und Du ist. In den zehn turbulenten und im Verlauf etwas dramatischeren Abenteuern der ersten Season gibt es natürlich diverse Referenzen und Zitate. Gleich die katzenartige Schiffsärztin Dr. T’Ana bildet einen direkten Bezug zur Animated Series aus den 1970ern, in welcher diese Rasse bisher einzig und allein aufgetreten war. Außerdem lassen es sich auch drei bekannte Darsteller aus der Next Generation nicht nehmen, Gastauftritt zu absolvieren. Wobei an dieser Stelle nicht verraten wird, um welche „Special Guests“ es sich genau handelt. Lower Decks funktioniert als Raumschiff-Comedy für Trekkies, die bei ihrem über alles geliebten Franchise auch Sinn für Humor haben.
Die komplette erste Staffel von Star Trek: Lower Decks ist seit dem 22. Januar 2021 bei Amazon Prime abrufbar. Am 18. November 2021 wird die Veröffentlichung auf DVD und BluRay erfolgen. Am 7. August 2021 begann die wöchentliche Ausstrahlung der zweiten Staffel bei Amazon.
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Star Trek: Lower Decks – Staffel 1 (Star Trek: Lower Decks – Season 1)
Science-Fiction/Comedy/Animationsserie USA 2020. FSK 16. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 250 Minuten. Originalsprecher: Tawny Newsome (Beckett Mariner), Jack Quaid (Brad Boimler), Noël Wells (D’Vana Tendi), Eugene Cordero (Sam Rutherford), Dawnn Lewis (Captain Carol Freeman), Jerry O’Connell (Commander Jack Ransom), Fred Tatasciore (Lieutenant Shaxs), Gillian Vigman (Dr. T’Ana) u.a. Nach Gene Roddenberry. Idee: Mike McMahan. Regie: Barry J. Kelly, Kim Arndt, Bob Suarez.
Lars Kokemüller, der auch unter seinem Künstlernamen Lars Henriks wirkt, hat nicht nur Kurz- und Spielfilme mit gering(st)em Budget gedreht, sondern mit Die Schauspielschüler auch eine Webserie über Studenten des Bühnenstudio Hamburg gemacht. An zwei Abenden stand bei mir die erste Staffel auf dem Programm.
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Neulich in der Schauspielklasse
Hamburg. Die neue Anfängerklasse einer Schauspielschule kommt erstmals zusammen: der steife Bankkaufmann Michael (Erkan Cakir), der ruhige Schriftsteller Ben (Lasse Boje Haye Weber), die freche Mona (Johanna Sarah Schmidt), die unter einer Zwangsstörung leidende Sozialpädagogik-Studentin Clara (Diana Kriehn), die junge Tänzerin Melanie (Clarissa Karrasch), die zappelige Youtuberin Freddy (Paula C. Hugenschmidt), Boxer David (Ulisses Tuloug) und die sehr esoterisch angehauchte Mimi (Virginia Roncalli). Das heterogene Oktett muss sich nur mit unterschiedlichen Fächern befassen, sondern auch ein gemeinsames Theaterstück auf die Beine stellen.
Gemeinsam mit Nisan Arikan drehte der 1991 geborene deutsche Filmemacher Lars Kokemüller alias Lars Henriks drei Filme unter dem Label „Obsessive Filmmakers“, darunter die Theater-Satire Performaniax (2019), welche 2020 bei Amazon Prime veröffentlicht wurde. Außerdem stehen weitere Kurz- und Langfilme in seiner Vita. Die Ausbildung zum Schauspieler absolvierte Kokemüller im Bühnenstudio Hamburg. Anstatt einen gängigen Imagefilm über die Schauspiel-Akademie zu machen, erschuf er eine Webserie über eine Gruppe von Schauspielanfängern im ersten Jahr. Die Schauspielschüler mag zwar eine personell äußerst überschaubare Angelegenheit sein – neben den Darstellern werden im Abspann nur Kokemüller (Regie, Drehbuch, Musik, Ton) und Kathrin Enghusen (Kamera, Schnitt, Ton-Mischung) genannt – doch gereicht das der kleinen Webserie nicht zum Nachteil, im Gegenteil. Trotz der geringen Laufzeit von insgesamt nur zwei Stunden versteht man es hier, einerseits die meisten Figuren des überaus heterogenen Ensembles mit einer Hintergrundgeschichte auszustatten und andererseits den Alltag einer Schauspielschule zu vermitteln. Authentische Darsteller und eine starke Bildsprache verleihen der Produktion einen beinahe dokumentarischen Charakter. Interessant aus meiner Sicht, dass der Inhalt der ersten Staffel dazu passt, was mir meine beste Freundin von ihrer Schauspielausbildung erzählt hat. In ihrer bodenständigen Stimmigkeit funktioniert die Serie zwar überwiegend als Komödie, kann aber auch in den ernsten Momenten überzeugen. Als „Running Gag“ agiert ein Straßenkünstler (Murat Demir), der in verschiedenen „Disziplinen“ wie Beatboxing, Gesang und Tanz performt. Besonders gelungen empfand ich die fünfte Folge mit ihrem wunderschön-meditativem Ausklang und natürlich das Staffelfinale, in welchem die Klasse ihr Theaterstück aufführt.
Staffel 1 von Die Schauspielschüler kann man sich kostenlos hier auf Youtube ansehen. Die zweite Staffel wurde ebenfalls bereits auf dem Videoportal veröffentlicht.
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Die Schauspielschüler: Staffel 1
Webserie Deutschland 2017. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 120 Minuten. Mit: Diana Kriehn, Erkan Cakir, Virginia Roncalli, Lasse Boje Haye Weber, Paula C. Hugenschmidt, Ulisses Tuloug, Johanna Sarah Schmidt, Clarissa Karrasch, Murat Demir u.a. Drehbuch & Regie: Lars Kokemüller.
Der Weltraum, unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffes Avenue 5, das auf seiner Reise zum Saturn massiv vom Kurs abgekommen ist. Die Besatzung und Passagiere werden mit Problemen konfrontiert, die kaum ein Mensch zuvor erlebt hat.
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Planlos im Weltall
In nicht allzu ferner Zukunft. Die Menschheit hat den Weltraum dahingehend erschlossen, dass Touristen in großen Raumschiffen durch das Sonnensystem reisen können. Auf einer dieser Kreuzfahrten ist auch Milliardär Herman Judd (Josh Gad) unterwegs, dem das einzige Raumfahrtunternehmen gehört. Captain Ryan Clark (Hugh Laurie) hat das Kommando auf der Avenue 5, einem Raumkreuzer mit mehreren Tausend Passagieren an Bord, welches gerade seine auf acht Wochen angelegte Reise zum Saturn-Mond Titan und zurück begonnen hat. Doch eine gravierende Fehlfunktion in der künstlichen Schwerkraft sorgt dafür, dass die Passagiere quer durchs Schiff geschleudert werden. Doch die dabei erlittenen Verletzungen sind eher das geringste Problem. Denn die Avenue 5 ist einerseits massiv vom Kurs abgekommen, wodurch sich die Reisezeit von wenigen Wochen auf über drei Jahre verlängert hat. Zum allem Überfluss entpuppt sich der vermeintliche Captain Clark als lediglich für repräsentative Aufgaben engagierter Schauspieler. Gemeinsam mit Ingenieurin Billie McEvoy (Lenora Crichlow), Passagier-Sprecherin Karen Kelly (Rebecca Front), dem Service-Beauftragten Matt (Zach Woods) und Judds knallharter Assistentin Iris (Suzy Nakamura) versucht Clark die Situation in den Griff zu bekommen. Auf der Erde sucht Missionsleiterin Rav Mulcair (Nikki Amuka-Bird) nach Lösungen, wie man der Avenue 5 helfen kann. Unterdessen häufen sich dort die Probleme und auch der egomane Judd ist keine Hilfe…
Armando Iannucci (geboren 1963 in Glasgow) hat sich seit Anfang der 1990er vor allem mit Comedy-Serien einen Namen gemacht. Der italienisch-schottische Komiker, Autor und Regisseur erfand gemeinsam mit Schauspieler Steve Coogan die in mehren Produktionen auftretende Figur des überforderten Moderators Alan Partridge. Außerdem schuf Iannucci die Polit-Satiren-Comedyserie The Thick of It – Der Intrigantenstadel (2005-2012) mit dem späteren Doctor Who-Titeldarsteller Peter Capaldi in der Hauptrolle. 2009 erschien mit In the Loop – Kabinett außer Kontrolle außerdem ein Film zur Serie, bei welchem Iannucci auch Regie führte. Mit Veep – Die Vizepräsidentin (2012-2019), einer Art amerikanischen Adaption von The Thick of It konnte der Brite in Hollywood Fuß fassen. Nachdem sein dritter Film als Regisseur, die Literaturverfilmung David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück (2019) im Herbst 2019 auf dem Filmfestival in Toronto debüttierte (deutscher Kinostart: 24. September 2020), folgte die vorliegende Scifi-Comedy. Avenue 5 entpuppt sich als chaotische Mischung aus der Star Trek-Parodie Galaxy Quest (1999) und dem Handlungsstrang um das Raumschiff Axiom aus dem Pixar-Animationsfilm WALL-E (2008).
Iannuccis TV-Werk zeichnen sich durch einen Stil namens „Cinéma vérité“ (wörtlich „Wahrheitskino“) aus, der auch hier durchgehend beibehalten wird. Die dynamische Kameraführung von Eben Bolter (iBoy) erinnert an Mockumentarys wie The Office oder dessen deutsches Pendant Stromberg. Nur wird hier keine Doku gedreht oder die vierte Wand zum Publikum durchbrochen. Stattdessen lässt sich durch diese „unruhige“ Inszenierung die hektische Atmosphäre auf dem Raumschiff perfekt einfangen, auch wenn so dem Zuschauer ständig große Aufmerksamkeit abverlangt wird, um nicht den Anschluss zu verlieren. Denn hier prallen unwissende Trottel in Führungspositionen und selbstsüchtige Egomanen aufeinander. Die wahren Helden, die wirklich alles geben, um die Menschen an Bord des Raumschiffes aus der misslichen Lage zu befreien, werden von den Blendern untergebuttert und ihrer eigentlich mehr als verdienten Anerkennung beraubt. Quasi wie die Weltraum-Variante von „Der Fisch stinkt vom Kopf her“. Auch lassen es sich Iannucci und seine Co-Autoren nicht nehmen, einen kräftigen Seitenhieb gegen Fake News, deren Anhängern und andere Verschwörungsspinner auszuteilen. Selbstverständlich lässt sich die Serie auch als bitterer Abgesang auf den immer gigantischeren Kreuzfahrtschiff-Tourismus, der für den menschengemachten Klimawandel mitverantwortlich sein dürfte, verstehen. Mit Hugh Laurie (Dr. House) als „falschem“ Captain, Josh Gad (Die Schöne und das Biest, Mord im Orientexpress [beide von 2017]) in der Rolle des übergewichtigen, narzisstischen Milliardärs und etwa Rebecca Front (The Thick of It) als resolute Passagierin kann Avenue 5 auf einen illustren Cast bauen, zu dem in Person von Ethan Phillips (Star Trek: Raumschiff Voyager) als abgehalfterter Ex-Astronaut sogar ein Star Trek-Alumnus gehört.
Nach der Premiere bei Sky ist die erste Staffel von Avenue 5 bei diversen Streaminganbietern wie Amazon und Google Play erhältlich. Eine zweite Season wurde von HBO bereits bestellt.
Und schon sind wir auch beim großen Finale der ersten Staffel von Penny Dreadful: City of Angels. Am Tag der Toten nehmen folgenschwere Ereignisse ihren Lauf.
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Stadt der Mauern
Ähnlich wie das „Penny Dreadful“ im Serientitel entpuppt sich auch der Episodentitel des Staffelfinales als Mogelpackung. Denn der mexikanische „Tag der Toten “ (Dia de los Muertos) spielt hier nur am Rande eine Rolle, ähnlich wie die übersinnliche Ebene in der ganzen Show.
Die Nachricht vom Tode Diegos durch die Lynchjustiz rassistischer Polizisten dringt noch am selben Abend zu den Besuchern des Crimson Cat vor. Lewis Michener (Nathan Lane) gelingt es, Molly (Kerry Bishe), Mama Maria Vega (Adriana Barraza), Josefina (Jessica Garza) und Raúl (Adam Rodriguez) in Sicherheit zu bringen. Der von Pachuco-Anführer Fly Rico (Sebastian Chacon) initiierte, friedliche Gedenkmarsch der mexikanischen Bevölkerung mutiert jedoch durch Magdas (Natalie Dormer) Zutun zum blutigen Straßenkampf, zwischen dessen Fronten auch Tiago (Daniel Zovatto) gerät. Die Beziehung von Molly und Tiago steht aufgrund der jüngsten Ereignisse unter keinem guten Stern. Die beiden bilden die „Star-crossed Lovers“ in dieser Geschichte sozialer Spaltung.
Dr. Peter Craft (Rory Kinnear) versucht seinen während der Unruhen verletzten Sohn Trevor (Hudson West) zu trösten und erklärt ihm die verheerenden Folgen von Hass. Elsa (Natalie Dormer), die Frau an Peters Seite, fordert von ihm, sein familiäres Erbe anzunehmen und seiner Bestimmung als Nazi zu folgen. Nachdem die Behörden das Kriegsrecht verhängt haben und Checkpoints mit Soldaten eingerichtet wurden zeigt sich Stadtratsmitglied Charlton Townsend (Michael Gladis) überaus begeistert mit fließendem Übergang zum Größenwahn. Denn die neue Situation hat seine Pläne für die Autobahn wieder salonfähig gemacht. Und so marschieren die Bagger und Abrissbirnen unaufhaltsam in Belvedere Heights, dem Viertel der mexikanisch-amerikanischen Community ein und beginnen ihr zerstörerisches Werk. Der „Krieg der Völker“ hat nun endgültig begonnen. Traurigerweise mit aktueller Brisanz.
In dieser Folge kann und will Schöpfer/Chefautor John Logan gar nicht alle Handlungsstränge zu einem Ende bringen. Day of the Dead bereitet stattdessen eine zweite Staffel vor, die demnach kommen muss, wenngleich diese (wohl auch aufgrund der unsicheren Situation mit Covid-19) zum jetztigen Zeitpunkt noch nicht bestätigt wurde. Die Quoten von City of Angels bei Showtime bewegten sich mit etwa 600 000 bis 700 000 Zuschauern pro Folge minimal unter denen des „Originals“. Diese mögliche zweite Runde werden allerdings nicht alle Figuren erleben. Gleichsam wie die ganze Season wirkte auch das Finale erzählerisch ein wenig unrund. Und die ganzheitliche Umsetzung von Penny Dreadful geht dem nominellen Spin-Off ohnehin ab.
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Penny Dreadful: City of Angels, 1×10: Day of the Dead
USA 2020. 60 Minuten. Idee & Drehbuch. John Logan. Regie: Richard J. Lewis.
Los Angeles im Jahre 1938. Eine Stadt, die niemals schläft, kaum zur Ruhe kommt. Daher gleich weiter mit der neunten Episode von Penny Dreadful: City of Angels.
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Dance, Dance, Dance oder Familientreffen im Crimson Cat
Sing, Sing, Sing – so der Titel von Folge 9, welcher eigentlich „Dance, Dance, Dance“ lauten müsste – gehört für mich zu den besseren Episoden, ganz einfach weil der übersinnliche „Schmu“ hier keine Rolle spielt. So kann die Serie ihres Stärken besser ausspielen. Zu diesen gehört die Familie Vega, welche neben Peter Craft (Rory Kinnear), der seine Lieben ins Kino ausführt, das Herz der Show bilden.
Nach und nach treffen die Mitglieder der mexikanisch-amerikanischen Sippe im von lateinamerikanischer Lebensfreude nur so strotzenden Club namens Crimson Cat ein. Erst Raúl (Adam Rodriguez), der sich immer noch von seiner schweren Schussverletzung aus der ersten Folge erholt, und Mama Maria (Adrian Barraza), welche von Elsa schikaniert wird, gefolgt von Mateo (Johnathan Nieves) mit seinen Pachuco-Freunden Rio (Natalie Dormer) und Fly Rico (Sebastian Chacon) sowie Vega-Tochter Josefina (Jessica Garza) mit neuer Haarfarbe. Als letztes stoßen Tiago (Daniel Zovatto) und Sister Molly (Kerry Bishé) hinzu. Unterschiedliche Konflikte brechen aus, über Mateos neues Leben als Pachuco, Josefinas Bestimmung bei den „Joyful Voices“ und Tiagos Beziehung zu einer „Gringa“. Doch vor allem dank der Vermittlung Raúls und einem Machtwort Tiagos kommt es zur Versöhnung. Und anschließend wird getanzt, bis die Sohlen glühen. Selten habe ich so toll choreographierte, immersive Tanz-Sequenzen gesehen.
In seiner Verzweiflung über das drohende Scheitern seiner Pläne für die Autobahn wendet sich Stadtratsmitglied Charlton Townsend (Michael Gladis) an seinen Vater, den überaus einflussreichen Verkehrsmogul Jerome Townsend (Brian Dennehy), bittet diesen um Unterstützung. Doch Papa lehnt ab, schließlich stellt doch vielmehr die Luftfahrt die Zukunft dar. Für Darsteller Brian Dennehy (u.a. Rambo, William Shakespeares Romeo + Julia) seine letzte Rolle. Er starb am 15. April 2020 im Alter von 81 Jahren an einem Herzinfarkt. Die vorliegende Folge wurde ihm gewidmet.
Ein unerkannter Schütze hatte am Ende von Episode 8 das Feuer auf Lewis Michener (Nathan Lane) und Tiago eröffnet, dabei aber glücklicherweise nur das schöne Auto zerschossen. Lewis hat aber eindeutig die Faxen dicke und stellt Nazi-Architekt Richard Goss (Thomas Kretschmann) zur Rede. Goss zeigt sich aber unbeeindruckt, auch von Micheners „Bitte“ ihn jetzt gleich zu töten. Stattdessen erfahren wir vom Architekten ein paar dem Zuschauer bisher unbekannte Details aus dem Privatleben des jüdischen Cops. Lewis‘ Kontakten zur jüdischen Mafia ist es zu verdanken, dass der von Dottie Minter (Lin Shaye) versteckte Student Brian (Kyles McArthur), dessen Fachgebiet Berechnungen für Raketen ist, wieder in die Hände der Nazis fällt. Kein Happy End gibt es dagegen für Diego (Adan Rocha), der den ultimativen Preis bezahlen muss. Für Verbrechen, die er nicht begangen hat.
Serienschöpfer John Logan hat bei Sing, Sing, Sing nach vier Folgen aus der Feder anderer Autoren wieder das Drehbuch verfasst. Ein schönes Zitat hat die Episode auch noch zu bieten. Als Goss‘ Tischnachbarn gerade am Gehen sind, empfiehlt ihnen Michener, im Geschenkeladen noch eine Ausgabe von Mein Kampf mitzunehmen. Eine herrliche Anspielung auf Nathan Lanes Rolle als geldgeiler Broadway-Produzent in der Bühnenfassung und dem Filmremake von Mel Brooks Musical-Satire The Producers – Frühling für Hitler.
Das große Finale steht bevor.
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Penny Dreadful: City of Angels, 1×09: Sing, Sing, Sing
USA 2020. 51 Minuten. Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: Dan Attias.
Seit ein paar Tagen ist auch die deutsche Erstausstrahlung der ersten Staffel von Penny Dreadful: City of Angels bei Sky vollendet während ich noch ein wenig im Rückstand bin. Heute geht es weiter mit Folge 8.
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American Horror Story oder The Good German
Trevor Craft (Hudson West) beerdigt seinen Hamster und vertraut Haushälterin Maria Vega (Adriana Barraza) an, dass „Stiefbruder“ Frank Branson (Santino Barnard) ihn getötet hat. Doch dies ist nur der Auftakt zu den schaurigen Taten des kleinen Satansbratens. Als nächstes plant Franks „Mutter“ Elsa (Natalie Dormer) nämlich die mexikanische Angestellte loszuwerden, weswegen der Junge einen gehörigen Spuk veranstaltet. Willkommen in John Logans eigener Version von American Horror Story!
Papa Peter Craft (Rory Kinnear) hat es derzeit auch nicht leicht. Seine Ehefrau Linda (Piper Perabo), die er in die Klapse eingewiesen hat, droht ihn zu vernichten. Und bei der Versammlung des German-American Bunds sieht sich Peter einer Mehrheit von Mitgliedern gegenüber, die mit aller Macht gegen die Juden vorgehen wollen. Doch Craft, dessen wahre Herkunft enthüllt wird, sieht sich zwar als stolzer Deutscher, aber auch als Pazifist, was seiner neuen Flamme Elsa so gar nicht schmeckt.
Die Polizisten Tiago Vega (Daniel Zovatto) und Lewis Michener (Nathan Lane) versuchen heraus zu finden, wie weit die „Stützen der Gesellschaft“ mit den Nazis zusammenarbeiten. Michener prallt bei Stadtratsmitglied Townsend (Michael Gladis) ab, erhält jedoch Unterstützung von anderer Seite. Unterdessen besucht Tiago den „Joyful Voices“-Tempel und bekommt von Adelaide Finnister (Amy Madigan), der Mutter seiner heimlichen Geliebten Molly (Kerry Bishé), einen Einblick in die Arbeit der Organisation. Hierbei wird Tiago Zeuge wie seine Schwester Josefina (Jessica Garza) getauft wird.
Townsend und sein Lover/Aufpasser Kurt (Dominic Sherwood) gehen in einen geheimen Club wo Männer mit Männern und Frauen mit Frauen tanzen. Die Clubsängerin spielt niemand Anderes als Patti LuPone, die in Penny Dreadful als Hexe Joan Clayton (Staffel 2, Folge 3) sowie auch in der Rolle der Psychotherapeutin Dr. Seward (Staffel 3) zu sehen war. Unnachahmlich wie die erfahrene Broadway-Aktrice den insgesamt nicht einfachen Jazzsong Stardust (1927) von Hoagy Carmichael intoniert. Gerne mehr davon.
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Penny Dreadful: City of Angels, 1×08: Hide and Seek
USA 2020. 53 Minuten. Drehbuch: Tatiana Suarez-Pico. Regie: Sheree Folkson.
Und wieder habe ich die „schaurige Penny“ zu sehr vernachlässigt. Vielleicht war es auch einfach ein wenig Respekt vor der siebten Folge, die ihren Titel nicht umsonst trägt.
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„An animal scratching to get out.“
Die erotische Begegnung mit Dorian Gray hat in Vanessa Ives (Eva Green) etwas ausgelöst, einen Schalter umgelegt. Denn seitdem ist sie im wahrsten Sinne des Wortes vom Teufel bessessen. Nicht das erste Mal, aber bei dieser Gelegenheit besonders schlimm. Sir Malcolm (Timothy Dalton), Sembene (Danny Sapani), Ethan Chandler (Josh Hartnett) und Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) versuchen alles, um Vanessa irgendwie zu helfen.
Eva Green zeigt in dieser Folge zum dritten Mal nach Séanceund Closer than Sisters eine unglaubliche schauspielerische Leistung, bei welcher ihr wirklich viel abverlangt wird. Es schmerzt wahrlich Vanessa bei ihrem qualvollen Konflikt mit dem Dämon in sich zuzusehen. Wie sie in einer Szene unruhig vor ihrem Bett kauert (siehe Bild unten) erinnert mich an den geschundenen Gollum aus Herr der Ringe. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass Miss Green mit ihrem äußerst präzisen und nuancenreichen Spiel auch in den „ruhigen“ Szenen mehr als überzeugt.
Doch Possession verkommt nie zur One-Woman-Show. Der Fokus rückt auch immer wieder auf Vanessas „Mitstreiter“, welche ihr im Kampf mit dem Bösen beistehen oder zumindest beizustehen versuchen. Denn mit der Zeit (sind es Tage oder gar Wochen?) hinterlässt die eigene Machtlosigkeit Spuren bei Malcolm, Ethan und Victor, etabliert gleichzeitig aber eine Art Zusammenhalt unter den so unterschiedlichen Männern. Spätestens jetzt wird klar, dass Vanessa Ives, deren unausweichliches Ende hier bereits „vorweggenommen“ wird, das emotionale Zentrum bzw erzählerische Herz der Serie bildet und die meisten der anderen Hauptfiguren um sich versammelt. Heutzutage würde man bei Miss Ives vermutlich eine dissoziative Identitätsstörung diagnostizieren.
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Penny Dreadful, 1×07: Possession
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 57 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: James Hawes.
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