Etwa eine Dekade vor dem ersten Sharknado (2013) probierte sich der deutsche Privatsender RTL an einem Riesen-Raubfisch-Reißer. Das Ergebnis namens Hai-Alarm auf Mallorca eröffnete kürzlich die zweite Hälfte der aktuellen SchleFaZ-Staffel.
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Hailloses Durcheinander
Vor zwei Jahren starb Rebecca, die Ehefrau von Sven Hansen (Ralf Moeller), einem Hubschrauberpiloten und ehemaligen Kampfschwimmer, bei einem Tauchgang. Diesen Verlust hat Sven bisher nicht verwunden und so plant er gegen den Widerstand seiner gerade erwachsenen Tochter Maja (Oona Devi Liebich) mit ihr Mallorca zu verlassen, um nach Deutschland zu ziehen. Um den Verlust ihrer Mutter zu verarbeiten hat sich Maja von ihrem Vater entfremdet und arbeitet auf einem Boot, welches Touristen eine Bootsfahrt mit Hai-Besichtigungen anbietet. Bei einer dieser Fahrten kommt es zu einem Zwischenfall und die im Käfig unter Wasser gefangene Familie kann nur durch das schnelle Eingreifen von Sven und der eben auf der Insel angekommenen Biologin Julia Bennet (Julia Stinshoff) gerettet werden. Sven ist sich sicher, dass ein Megalodon, ein eigentlich seit 100.000 Jahren ausgestorbener Riesenhai sein Unwesen treibt, der einst Rebecca tötete. Doch niemand schenkt Sven Glauben, nicht einmal als die zerfetzte Leiche eines jungen Mannes am Strand gefunden wird. Auch Polizeichef Carlos (Gregor Bloéb), Svens bester Freund und Taufpate Majas, hält nichts von diesem Verdacht. Die Spur führt unterdessen zum Meresbiologischen Institut (MBI) unter Leiterin Dr. Verena Brandauer (Katy Karrenbauer), die an einem Mittel zur möglichen Heilung von Krebs forscht…
Bevor die hiesige Privatsenderlandschaft ein niveauarmes und/oder billiges Reality-TV-Format nach dem anderen produzierte, auch als Verwertungskette für die hauseigens erschaffenen Generationen von Z- bis Omega-Promis, investierte man in als aufwändig Event-Filme beworbene, aber im Grunde meist eher kostengünstige Fernsehproduktionen. Zu dieser Gattung zählt Hai-Alarm auf Mallorca, der nach diversen Produktionsschwierigkeiten (unter anderem bei der Computeranimation der Haie) seine Erstausstrahlung am 17. Oktober 2004 bei RTL feierte. Dass sich Oliver Kalkofe und Peter Rütten für Die Schlechtesten Filme aller Zeiten (SchleFaZ) mit dem vorliegenden Werk einen TV-Film vornehmen ist eher ungewöhnlich. Hai-Alarm auf Mallorca passt aber perfekt in die Tele 5-Reihe.
Ehrlich gesagt besitze ich wenig Seherfahrung, was Filme über blutrünstige Hai-Fische betrifft. Den Kultklassiker Der weiße Hai (Jaws, 1975) von Steven Spielberg habe ich bisher nicht gesehen und von der endlos überhypten Billigfilm-Reihe Sharknado (2013-2018) von The Asylum nur Szenen des ersten sowie den kompletten dritten Teil (letzterer mit Cameos von Kalkofe und Rütten). Keine Ahnung, was mich geritten hat mir ausgerechnet den mit Ralf Moeller, Ex-Bodybuilder und Nebendarsteller in Hollywood-Streifen wie Universal Soldier (1992) und Gladiator (2000) sowie Leading Man der Serie Conan, der Abenteurer (1997-1998), sowie einigen RTL-Soap- und Seriensternchen besetzten Knorpelfisch-Kracher anzutun. Auch wenn „Hai-Alarm“ wie einige andere Produktionen ähnlicher Art glücklicherweise ziemlich dem Vergessen anheim gefallen ist, so besitzt er doch einen nicht zu leugnenden Trash-Unterhaltungswert.
Was das zum großen Teil sowohl Serien- als auch Soap-erfahrene Autoren-Quartett Jörg Alberts, Roland Heep, Frank Koopmann und Don Schubert angeht so kam mir während der Sichtung immer wieder der Verdacht, die Herren hätten (vermutlich nacheinander) versucht, das Skript mit maximalem Overkill an peinlich-kitischigen und hemmungslos abgedroschenen Dialog-Plattitüden zu sprengen. Es ist Ihnen wahrlich gelungen. Es vergeht kaum eine Szene, in welcher nicht milliardenfach schon durchgekaute Worthülsen und Sätze, die selbst bei der Vorauswahl für Kalendersprüche durchfallen würden, zum „Besten“ gegeben werden. Den Schauspielern muss man schon Respekt zollen, denn es grenzt an eine übermenschliche Leistung, solche Dialoge fehlerfrei in die Kamera zu sagen, ohne in Gelächter oder Tränen auszubrechen.
Hätte man sich konsequent an bekannte Zutaten des Genres gehalten wäre am Ende vielleicht ein halbwegs mittelmäßiger Streifen rausgekommen. Doch obwohl Regisseur Jorgo Papavassilliou (u.a. Held der Gladiatoren, Der Bergdoktor ) und sein Team sich bei allerlei Vorbildern bedienen (die Story wurde quasi 1:1 aus Deep Blue Sea [1999] von Renny Harlin übernommen), in Sachen innere Logik und Konsequenz versagen sie fast völlig. Diverse Subplots und Elemente werden in ein, zwei Szenen angerissen, um wenig später keine Rolle mehr zu spielen oder fast nebenher abgefrühstückt zu werden. Die Actionszenen sind dermaßen unübersichtlich im ständigen Wechsel zwischen Nahaufnahmen und Totalen eingefangen, dass wirkliche Spannung nur zu selten aufkommt. Darüber hinaus werden potenziell rasante Verfolgungsjagden fast bis zur Unkenntlichkeit zerschnitten. Das Endprodukt erweckt den Anschein, dass die inhaltliche Ausrichtung im Verlauf der Produktion mehrfach wechselte und deswegen alles so unausgegoren wirkt beziehungsweise oberflächlich und vage (vor allem bei den Örtlichkeiten der Handlung) bleibt.
Immerhin entpuppt sich die ganze Haifisch-Chose trotz inhaltlicher und inszenatorischer Unzulänglichkeiten sowie einer für Fernsehfilmchen recht langen Laufzeit von 110 Minuten als recht kurzweilig. Es wird nicht viel erklärt, sondern der Zuschauer gleich ins (haifischverseuchte) Wasser geworfen. Und ehrlich gesagt habe ich in manchen, neueren Produktionen der Mockbuster-Schmiede The Asylum schon wesentlich schlechter animierte Kreaturen gesehen, wobei man den zentralen Urzeit-Antagonisten und seine kleineren Artgenossen ohnehin kaum zu Gesicht bekommt, was aber nichts Schlechtes heißen muss. In die „So-schlecht-dass-es-schon-wieder-gut-ist“-Schublade gehört Hai-Alarm auf Mallorca definitiv nicht, aber ganz öde ist er auch nicht geworden.
Für eine ausführliche Analyse des Films empfehle ich den Beitrag von Journalist und Autor Torsten Dewi auf seinem Blog.
Hai-Alarm auf Mallorca ist auf DVD erhältlich und als Stream bei RTL plus.
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Hai-Alarm auf Mallorca
TV-Actionfilm Deutschland 2004. FSK 12. 110 Minuten.
Mit: Ralf Moeller, Julia Stinshoff, Gregor Bloéb, Oona Devi Liebich, Katy Karrenbauer, Patrick Pinheiro, Simone Hanselmann, Carsten Spengemann, Ottfried Fischer u.a. Drehbuch: Jörg Alberts, Roland Heep, Frank Koopmann, Don Schubert. Regie: Jorgo Papavassilliou.
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Credits:
Bilder (c) RTL/Universum Film.