Ziemlich unter dem Radar läuft bei Netflix die Mixed-Media-Serie The Guardians of Justice, eine kuriose Superhelden-Pastiche von Autor, Produzent und Regisseur Adi Shankar (u.a. Dredd, Castlevania).
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„For the greater good“ oder Adi Shankar’s Justice League
1947 landete der außerirdische Superheld Superman Marvelous Man (Will Yun Lee) auf der Erde, beendete den Dritten Weltkrieg und brachte der Welt Frieden. Gemeinsam mit dem kostümierten Vigilanten Batman Night Hawk (Diamond Dallas Page) gründete und führte Marvelous Man in der Folge das Superhelden-Team „Guardians of Justice“. Vierzig Jahre später begeht Marvelous Man während einer Fernsehansprache an seinem Ehrentag Selbstmord vor laufenden Kameras. Die Weltöffentlichkeit ist geschockt und der fragile Frieden bedroht. Night Hawk übernimmt sogleich die „Ermittlungen“ im Todesfall seines besten Freundes und Weggefährten. War es möglicherweise kein Suizid, sondern doch Mord? Sind die weiteren Guardians The Flash Speed (Sharni Vinson), Awesome Man (Derek Mears), Banshee Blue Scream (Jackson Rathbone), Black Canary Black Bow (Tiffany Hines), Aquaman King Tsunami (Kellan Lutz) und Wonder Woman Golden Goddess (Preeti Desai) vielleicht sogar in den Tod Marvelous Mans verwickelt?
Aditya „Adi“ Shankar wurde 1985 im indischen Kalkutta geboren und kam in jungen Jahren in die USA. Der Comic- und Videospiel-Enthusiast agierte als ausführender Produzent bei actionlastigen Filmen wie Machine Gun Preacher, The Grey (beide von 2011), der Comicverfilmung Dredd (2012) und A Walk Among the Tombstones (2014). Zwischen 2017 und 2021 fungierte Shankar als Showrunner der animierten Dark-Fantasy-Serie Castlevania, die auf dem gleichnamigen Videogame basiert. Für Aufsehen sorgte er allerdings mit seinem „Bootleg- Universe“, das als Youtube-Reihe mit unautorisierten, kurzen Fanfilmen (wie Punisher: Dirty Laundry, Venom: Truth in Journalism oder James Bond: In Service of Nothing) begann und mittlerweile seine offizielle Produktionsfirma bildet. The Guardians of Justice war ursprünglich unter dem Titel „Adi Shankar’s Gods and Secrets“ beim hochwertigen US-Bezahlsender HBO geplant, landete aber schließlich bei Netflix. Shankar liefert als Serienschöpfer, Co-Autor, Produzent und Co-Regisseur mit der siebenteiligen Serie nicht nur eine Mischform von real gedrehten Szenen und unterschiedlichsten Animationsstilen ab, sondern auch einen kuriosen Hybrid aus Rip-Off, Parodie, Satire des und Hommage ans Comichelden-Genre. Wie man unschwer (auch am Titel) erkennen kann stand vor allem das Superheldenteam namens Justice League (von Zack Snyder und Joss Whedon kürzlich verfilmt) Pate. Aber das Comic-Universum von DC war beileibe nicht der einzige Einfluss.
Hinsichtlich der Struktur, Figurenkonstellation und des Settings in einem alternativen 1987 bedient sich TGOJ auch sehr bei Watchmen, jener ikonischen Graphic Novel mit welcher Autor Alan Moore und Zeichner Dave Gibbons 1986/87 das Thema Superhelden in Comics nachhaltig prägten und die 2009 als Filmversion umgesetzt wurde sowie zehn Jahre später eine Fortsetzung als Limited Series erfuhr. Die Ausgangssituation ist im Grunde die gleiche. Ein prominenter Superheld stirbt, einer seiner Mitstreiter untersucht den Todesfall und stößt dabei auf ungeahnte Geheimnisse. Zudem werden in der Story auch noch Elemente von Marvel, dem anderen amerikanischen Comicgiganten, sowie weitere Versatzstücke verarbeitet. Dass für die Serie kein wirklich großes Budget zur Verfügung stand merkt man zwar an manchen Stellen etwas, doch Shankar und sein Team umgehen diese Problematik in dem sie nur einen Teil der Handlung als mit Schauspielern gedrehte Szenen umsetzen und ansonsten diverse Animationstechniken anwenden. Die Mischung aus Live-Action sowie diversen Animationsstilen und -techniken (klassischer Zeichentrick, Rotoskopie, CGI- und Knet-Animation) machen The Guardians of Justice zu einer besonderen Mixed-Media-Erfahrung. Hinzu kommen auch noch Sequenzen als 8-Bit-Videospielgrafik. Generell werden die meisten Kampfszenen wie bekannte Beat-Em-Up-Games aus den 1980ern oder 1990ern aufgemacht. Die gelungene Eighties-Ästhetik wird zudem durch den stilechten Synthie-Score des schwedischen Elektronikmusikers Oscillian musikalisch perfekt untermalt.
Rein audiovisuell bietet TGOJ einen atemloses, überbordendes, beeindruckendes und immer wieder überaus brutales (seit Langem hat mich Netflix wieder nach dem Jugendschutzcode gefragt) Feuerwerk, das Comicfans, Gamer und Achtziger-Fetischisten gleichermaßen abholt. Doch Shankar begnügt sich nicht mit diesen überaus ästhetischen Oberflächenreizen, sondern nutzt das Format auch aus, um das amerikanische Superheldentum und vor allem seine reaktionären, kulturimperialisten Tendenzen zu karikieren und zu dekonstruieren. Dabei erreicht er zwar nie die Qualität von Watchmen, doch erweist sich seine Art, die Thematik umzusetzen aus meiner Sicht als die am besten geeignete. Wie ich finde sollten klassische Comichelden-Stories am besten wie hier verfilmt werden und nicht als meist austauschbare Mega-Blockbuster, welche um die 200 Millionen Dollar (oder mehr) kosten.
Alle 7 Folgen von The Guardians of Justice sind seit dem 1. März 2022 im Angebot von Netflix.
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The Guardians of Justice
Superhelden-Action-Serie USA 2022. 7 Folgen. Gesamtlänge: ca. 206 Minuten. Mit: Diamond Dallas Page, Sharni Vinson, Derek Mears, Will Yun Lee, Jane Seymour u.v.a. Idee: Adi Shankar.
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Credits
Bilder (c) Bootleg Universe/Netflix.