Sex Education: Staffel 3

30. September 2021

Kurz nach dem Beginn des Schuljahres in einigen deutschen Bundesländern hat Netflix die lang ersehnte dritte Staffel von Sex Education veröffentlicht. Im dritten Jahr müssen Otis und seine Mitschüler mit den rigiden Vorschriften einer neuen Schulleiterin zurecht kommen. Unterdessen kämpft die Sex-Therapeutin Jean, Otis‘ Mutter, mit ihrer unverhofften Schwangerschaft.

Growth is a group project

Nach der überaus frivolen Musical-Aufführung von Shakespeares Romeo und Julia im letzten Schuljahr hat die Moordale Secondary School einen Ruf als „Sex School“ weg. Der bisherige Schuldirektor Michael Groff (Alistair Petrie) wurde gefeuert und durch die jüngere Hope Haddon (Jemima Kirke) ersetzt. Hope präsentiert sich den Schülern gegenüber auf den ersten Blick auf Augenhöhe, zögert aber nicht für das Erreichen ihrer Ziele die Bildungseinrichtung massiv zu ändern, sehr zum Missfallen der meisten Schüler, mit Ausnahme der ambitionierten Viv (Chinenye Ezeudo). Jackson (Kedar Williams-Stirling), der seine Führungsrolle als „Head Boy“ verloren hat, lernt Cal (Dua Saleh), einen aus den USA kommenden nichtbinären Neuling, kennen. Nachdem die von ihm betriebene „Sex Clinic“ zur Aufklärung und Beratung der Mitschüler in sexuellen und beziehungstechnischen Fragen nicht mehr existiert findet sich Otis (Asa Butterfield) plötzlich in einer zwanglosen Affäre mit der eitlen Ruby (Mimi Keene) wieder, welche allerdings auf ihr Betreiben geheimgehalten werden muss. Dr. Jean Milburn (Gillian Anderson), Sex-Therapeutin und Mutter von Otis, ist unerwartet schwanger geworden und kämpft mit den Mühen einer späten Mutterschaft. Schließlich schafft es die in eigenen Beziehungen immer etwas unglückliche Therapeutin dem Kindesvater/ ihrem Ex-Partner Jakob (Mikael Persbrandt), davon zu erzählen. Auch wenn sie sich eigentlich getrennt hatten beschließen Jean und Jakob das Kind gemeinsam großzuziehen und mit ihren Familien zusammenzuziehen, obgleich Otis und Jakobs Tochter Ola (Patricia Allison) davon nicht begeistert sind.

Maeve (Emma Mackey), die aus schwierigen Verhältnissen stammende begabte Schülerin und frühere Komplizin von Otis‘ in der „Sex clinic“, lebt zwar weiterhin auf sich allein gestellt in einer Wohnwagensiedlung, hat in Nachbar Isaac (George Robinson), der nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt, aber einen guten Freund und möglichen Partner gefunden. Auch wenn ihre immer wieder auftauchende, drogenabhängige Mutter Erin (Anne-Marie Duff) für Schwierigkeiten sorgt. Maeves beste Freundin Aimee (Aimee Lou Wood) hat noch immer mit dem Trauma des von ihr erlittenen sexuellen Übergriffes zu kämpfen und entschließt sich zu Therapiesitzungen bei Jean. Der schon seit langem als homosexuell bekannte Eric (Ncuti Gatwa) und Adam, Sohn des ehemaligen Schuldirektors Groff, sind mittlerweile ein Paar. Doch Adam, dessen Eltern sich getrennt haben, tut sich mit der Beziehung und seiner neuen Rolle aber noch schwer. Auch Ola und die nerdige Lily (Tanya Reynolds) machen eine schwierige Zeit durch. Was wird das neue Schuljahr bringen?

Bereits Staffel 1 der britischen Serie von Laurie Nunn konnte mich überzeugen, doch richtig begeistert hat mich Sex Education mit der zweiten Staffel. Während die ersten beiden Seasons noch in einem Abstand von ziemlich genau einem Jahr erschienen verzögerte sich die Produktion von Staffel 3 (wie bei vielen anderen Filmen und Serien auch) durch die Covid19-Pandemie und daher mussten wir Zuschauer dieses Mal nicht zwölf, sondern zwanzig Monate auf die neuen Folgen warten. Das Warten hat sich aus meiner Sicht aber gelohnt. Season 3 knüpft dort an, wo die vorherige Staffel aufgehört hat, entwickelt die Serie und ihre Figuren weiter.

Auch wenn es immer wieder (absurd-)witzige Szenen gibt, so distanziert sich die britische Netflix-Produktion auch weiterhin von niveaulosen Sexkomödien. Sex Education erweist sich dahingehend auch für ältere Zuschauer als lehrreich, wenn konsequent eine positive Einstellung zu Sexualität progagiert wird. Sex, Beziehungen und ähnliche Thematiken werden als völlig normal angesehen, genauso wie die unterschiedlichen, damit verbundenen Probleme der einzelnen Personen. Dabei gibt es nicht nur die „klassischen“ heterosexuellen Beziehungen, sondern auch solche mit homosexuellen, bisexuellen und pansexuellen Partnern. Geschickt streuen Laurie Nunn und ihr Autorenteam immer wieder wie bei den Anfängen ein Paar mit einem konkreten Problem ein, um dieses dann im Verlauf einer Episode zu lösen. Doch bleibt immer das große Ganze im Blick, nämlich das überaus herausragende Darstellerensemble um die beiden Headliner Asa Butterfield als Otis und Gillian Anderson als Jean, für mich die größte Stärke der ganzen Serie.

Beeindruckt hat mich dieses Mal bersonders Connor Swindells als in sich gekehrter, eher einsilbiger Adam, der sich in seiner neuen Situation als „poofter“ und in der Beziehung mit Eric noch finden muss. Viele der unzähligen Charaktere, die zuvor mehr Screentime hatten, treten etwas in den Hintergrund, spielen aber immer noch eine wichtige Rolle im Gesamtgefüge. Als prominienster Neuzugang im Cast spielt Jemima Kirke (Girls) die neue Schuldirektorin der Moordale Secondary Schoo, die sich anfangs progressiv und modern gibt, aber sukzessive ein rigides, puritanisches Regime an der Schule installiert, welches Schüler in Uniformen zwängt, Individualität limitiert und die Sexualerziehung auf veraltete oder überzogen drastische „Lehrfilme“ reduziert, die Enthaltsamkeit predigen und Homosexualität denunzieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass in einigen besonders christlich geprägten Gegenden der USA genau solche Schulen in der Realität existieren. Außerdem sehen wir die Harry Potter-Alumni Sophie Thompson (Vier Hochzeiten und ein Todesfall) als Lilys Muter und Jason Isaacs in einer verschenkten Rolle als herablassend-widerwärtiger Bruder des vor dem Nichts stehenden Michael Groff. Mit Dua Saleh als Cal und Robyn Holdaway als Layla gibt es erstmals zwei nichtbinäre Figuren, die freilich unter dem strikt binären Dresscode zu leiden haben.

Staffel 3 muss sich dennoch einen großen Kritikpunkt gefallen lassen. Es sind wieder nur acht Folgen. In 10 oder 12 könnte man den ein oder anderen Handlungsstrang noch etwas besser ausarbeiten und ein noch runderes Gesamtbild schaffen. Eine vierte Staffel wurde bereits bestellt und dürfte sicherlich heiß erwartet werden. Denn am Ende von Staffel 3 sind einige Fragen offen, vermeintliche Happy Ends doch nicht so happy und eine unerwarte, dramatische Entwicklung eingetreten, welche das noch ausstehende restliche Schuljahr des Abschlussjahrgangs massiv beeinträchtigt. Wenn Sex Education dann noch in eine fünfte Season gehen wird könnte diese sicherlich an der Universität spielen. Denn wie Dr. Jean Milburn in ihrem Buch feststellt, wissen auch Erwachsene beiweitem nicht alles über die schönste Nebensache der Welt.

Die komplette dritte Staffel von Sex Education ist seit dem 17. September 2021 bei Netflix abrufbar.

Sex Education: Staffel 3 (Sex Education: Season 3)
Comedyseire UK 2021. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 455 Minuten.
Mit: Asa Butterfield, Gillian Anderson, Ncuti Gatwa, Emma Mackey, Connor Swindells, Kedar Williams-Stirling, Alistair Petrie, Mimi Keene, Aimee Lou Wood, Chaneil Kular, Simone Ashley, Tanya Reynolds, Mikael Persbrandt, Anne-Marie Duff, Rakhee Takrar, Jemima Kirke, Jim Howick, Samantha Spiro, Chinenye Ezeudo, Sami Outalbali, George Robinson, Dua Saleh u.a. Idee: Laurie Nunn. Regie: Ben Taylor und Runyaro Mapfumo.

Credits
Bilder (c) Netflix.

 


Sex Education: Staffel 1

5. Januar 2020

Sex sells, sagt man. Bei der britischen Serie Sex Education, die innerhalb eines Monats von über 40 Millionen Zuschauern bei Netflix gestreamt wurde, mag das wohl irgendwie zutreffen.

Let’s talk about sex

Otis (Asa Butterfield) lebt bei seiner Mutter, der erfolgreichen Sex-Therapeutin Jean Milburn (Gillian Anderson). Von daher dürfte die schönste Nebensache der Welt eigentlich kein großes Ding für den 16jährigen sein. Doch Otis wirkt auch aufgrund der Offenheit seiner Mama überaus gehemmt und zwar derart, dass der junge Mann nicht einmal bei sich Hand anlegt. Als er jedoch Adam (Connor Swindells), dem tumben und seine Altersgenossen schikanierenden Sohn von Schuldirektor Groff (Alistair Petrie), einen wirkungsvollen Ratschlag gibt, sieht Maeve (Emma Mackey), eine als promiskuitiv verschriene Mitschülerin, großes Potenzial. Sie überredet Otis zum Betrieb einer geheimen „Sexklinik“, in welcher er seine Mitschüler in sexuellen Dingen beraten soll. Nach einiger Zeit beschleicht Otis das Gefühl, die ganze Sache könnte ihm über den Kopf wachsen. Zudem hat er nun weniger Zeit für seinen besten Freund, den offen homosexuellen Eric (Ncuti Gatwa), der aus einer religiösen ghanaischen Migrantenfamilie stammt. Maeve kämpft derweil mit ihren eigenen Problemen. So möchte ihr Sex-Buddy, der Schülersprecher und Leistungsschwimmer Jackson (Kedar Williams-Stirling), nun eine richtige Beziehung mit ihr führen…

Lange hatte ich mich nicht an Sex Education herangewagt, in der falschen Annahme, die britische Netflix-Produktion wandle auf den Sexklamauk-Pfaden von American Pie und dessen unzähligen/unsäglichen Fortsetzungen. Kurz vor Jahresende sichtete ich schließlich doch die acht Folgen innerhalb von kürzester Zeit und habe es nicht bereut. Die Serie von Debüttantin Laurie Nunn (die laut imdb.com bisher nur an Kurzfilmen arbeitete) kann man sicherlich grob dem Genre Comedy zuzuordnen, platte Gags werden hier allerdings vermieden. Zwar gibt es immer wieder herrlich witzige Szenen, doch stellt Sex Education seine Figuren nie bloß. Bezüglich des Personals wird vom nicht sehr hellen „Schlägertypen“ (Adam), der beliebten Sportskanone (Jackson), einer narzisstisch-oberflächlichen Schickiemickie-Gang bis zu einigen schrägen bis nerdigen Charakteren so ziemlich alles geboten, eine gute Mischung aus bekannten Teenagerkomödien-Versatzstücken, nur eben ohne überzogenen Kitsch.

Sex Education das eigentlich „Sex Therapy“ oder „Sex Counseling“ heißen sollte, weil Protagonist Otis seine betreffenden Mitschüler nicht erzieht, sondern berät – hält gekonnt die Balance zwischen humoristischer Aufarbeitung und dem notwendigen Ernst, den die einzelnen Situationen erfordern. Da geht es nicht nur um sexuelle Details, sondern vor allem um damit untrennbar verbundene, nicht selten zwischenmenschliche Aspekte/Problematiken wie etwa die Dynamik einer Beziehung, Mobbing, Bodyshaming und der Umgang mit Zurückweisung. Die meisten Folgen beginnen mit einem Paar, dessen Problem dann im Verlauf gelöst wird. Diese Struktur wird jedoch nicht stur durchgehalten. Vor allem präsentiert uns Sex Education vielschichtige Charaktere, deren äußerer Schein oft die innere Unsicherheit überlagert, was überwiegend natürlich auf die Jugendlichen zutrifft, aber nicht ausschließlich. Auch für Otis‘ Mutter Jean, die Beziehungen so intelligent zu analysieren weiß, läuft nicht immer alles nach Plan. Zwar gibt sie sich ihrem Sohn gegenüber sehr offen und verständnisvoll, reagiert aber auf dessen Schweigsamkeit mit überfürsorglichen Aktionen.

Die Show kann sich auf ein starkes Ensemble verlassen, welches mit Ausnahme der beiden „Headliner“ Asa Butterfield (Hugo Cabret, Ender’s Game, Die Insel der besonderen Kinder) und Gillian Anderson (Akte X, The Fall: Tod in Belfast, American Gods), die sich in den letzten Jahren zu einer meiner Lieblingsschauspielerinnen entwickelt hat, aus bisher unbekannten und daher unverbrauchten Gesichtern wie Emma Mackey als Maeve und Ncuti Gatwa als Eric besteht. Der bunte Vintage-Look und schöne Panorama-Aufnahmen runden das Gesamtbild gekonnt ab.

Die komplette erste Staffel von Sex Education ist seit dem 11. Januar 2019 bei Netflix abrufbar. Am 17. Januar 2020 kommt Staffel 2.

Sex Education: Staffel 1 (Sex Education: Season 1)
Comedyserie UK 2019. 8 Folgen. Gesamtlänge: ca. 400 Minuten. Mit: Asa Butterfield, Gillian Anderson, Emma Mackey, Ncuti Gatwa, Connor Swindells, Kedar Williams-Stirling, Alistair Petrie, Aimee Lou Wood u.v.a. Idee: Laurie Nunn. Regie: Ben Taylor und Kate Herron.


Credits:
Bilder (c) Netflix.


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