Iron Sky: The Coming Race

25. März 2023

Iron Sky von Regisseur Timo Vuorensola, über Nazis von der dunklen Seite des Mondes, konnte mich nicht wirklich überzeugen. Knapp sieben Jahre später erschien die Fortsetzung Iron Sky: The Coming Race, in dem jene mystischen Wesen im Mittelpunkt stehen, vor denen uns einige „Eingeweihte“ schon länger gewarnt haben: Reptiloide!

Von der Hohlerde und dem heiligen Gral

2047. 29 Jahre nach dem Nazis vom Mond die Erde angriffen und der daraus resultierende Atomkrieg die Erde unbewohnbar gemacht hat leben die letzten Menschen, nur noch knapp 2.000, auf der alten Mondbasis. Diese droht jedoch auseinanderzubrechen. Unter Führung der mittlerweile sehr kränklichen Renate Richter (Julia Dietze) gelingt es die heterogene Gesellschaft auf der Basis irgendwie zusammenzuhalten. Obi (Lara Rossi), Tochter von Renate und dem mittlerweile verstorbenen James Washington, nutzt ihr technisches Talent, um die lebensnotwendigen Systeme notdürftig am Laufen zu halten.

Bild (c) Splendid

Da taucht plötzlich ein Raumschiff von der Erde auf, mit dem russischen Piloten Sascha (Vladimir Burlakov) und wenigen Überlebenden an Bord. Eine mysteriöse Gestalt entsteigt ebenfalls dem desolaten Vehikel und begibt sich sogleich in ein geheimes Versteck. Obi folgt der Person, die sich als Wolfgang Kortzfleisch (Udo Kier), der totgeglaubte, aber ziemlich lebendige Ex-Führer der Mondnazis, zu erkennen gibt. Kortzfleisch erzählt Oba, dass er in Wirklich ein hoch entwickelter reptiloider Alien ist, der vor Jahrmillionen mit seinen Artgenossen, den Vril, auf der Erde landete und dort die Evolution etwas beschleunigte. Die Vril leben noch immer dort, wo sie sich schon immer versteckt halten: im Innern der Hohlerde. Oba hofft dort die Vril-Energie zu finden, um ihre kranke Mutter zu heilen. Gemeinsam mit Sascha, dem schlagkräftigen Soldaten Malcolm (Kit Dale) und einer Gruppe von Steve-Jobs-Anhängern unter Donald (Tom Green) macht sie sich in Saschas Schiff auf dem Weg zur Erde…

Trotz einer herrlich bescheuerten Prämisse, für das nicht besonders große Budget von 7,5 Millionen Euro ordentlichen Production Values und ein paar gelungenen Gags war ich von Iron Sky (2012), der Nazisploitation-Scifi-Klamotte von Regisseur Timo Vuorensola und seinem Team, eher enttäuscht. Die Aneinanderreihung diverser Witzchen und Elemente wirkte auf mich zu beliebig, zu brav und plump. Dennoch habe ich mir kürzlich die Fortsetzung Iron Sky: The Coming Race angesehen. Zu meiner ziemlichen Überraschung erweist sich das Sequel aus meiner Sicht als wesentlich witziger und stimmiger.

Bild (c) Splendid

Nach einigen Verzögerungen bei der Erstellung der visuellen Effekte und Geldproblemen kam die im letzten Quartal 2015 in Belgien gedrehte Fortsetzung vor vier Jahren, im März 2019, schließlich in die Kinos. Teile des Budgets waren wieder durch Crowdfunding gesammelt worden. Mit 17 Millionen Euro standen dieses Mal mehr als das Doppelte als beim Vorgänger zur Verfügung. Und erneut sieht die ganze Produktion mehr als ordentlich aus. Die vielerorts gelesene Kritik an den CGI-Effekten kann ich nicht nachvollziehen. Hollywood hätte für das gleiche Geld sicherlich weniger Ansehnliches geliefert.

Wie ich finde werden im zweiten Teil die ganzen eingestreuten Versatzstücke und Elemente besser zu einem Ganzen kombiniert. Natürlich ist das alles ziemlich haarsträubend und absurd, aber eben einfach durchgezogen, so plakativ albern und behämmert das ganze Szenario sein mag. Die Sache mit den übermächtigen Vril-Menschen in der Hohlerde stammt aus dem Roman The Coming Race (deutsch: Das Geschlecht der Zukunft, 1871) von Edward „It was dark and stormy night“ Bulwer-Lytton (1803-1873). Dass es Reptilienmenschen auf der Erde gibt und diese die Geschickte der Welt leiten gehört zu den klassischen Verschwörungstheorien und geht wohl auf die Erzählung The Shadow Kingdom (1929) von Robert E. Howard zurück.

Drehbuchautor Dalan Musson, der auch schon eine Folge der MCU-Serie The Falcon and the Winter Soldier in seiner Vita stehen hat, vermischt diese Kernpunkte der Handlung mit Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde (1864), Arthur Conan Doyles Die vergessene Welt (1912) sowie Anleihen bei Indiana Jones und den Star Wars-Filmen (das rostige Schiff Saschas sieht dem Millenniumfalken ähnlich). Das alles ergibt natürlich wenig Sinn, macht aber unheimlich Spaß, wenn man sich als Zuschauer*n auf so eine absichtlich trashige Veranstaltung einlassen kann. Mit dem Kult der Jobsisten, jener in Reinweiße gekleideter Sekte, wird die irrational Verehrung des einflussreichen Apple-Gründers und anderer Tech-Unternehmer gekonnt durch den Kakao gezogen.

Bild (c) Splendid Film

Bei ähnlicher Motivlage und viel mehr Budget erreicht The Coming Race dann nicht ganz das Niveau von Danger 5. Doch wo die australische Serie ein absurden Sammelsuriums von Retro-Ästhetik und Versatzstücken aus B-Movies der 1960er und 1980er abliefert vermischt der zweite Iron Sky-Film die Zutaten zu einem überbordenden, aber süffigen Neo-Pulp-Cocktail, welcher die ganzen Verschwörungstheorien (allein schon durch die „Enthüllung“, welche historische Persönlichkeiten alle zu den Reptiloiden gehören) als das entlarvt, was sie sind: alberne Spinnereien, die man zu keiner Zeit Ernst nehmen sollte.  


Nachdem Teil 1 an der Kinokasse gerade so die Produktionskosten wieder einspielen konnte standen beim Box Office von The Coming Race am Ende nur ein paar Hunderttausend Euro Einnahmen. Sicherlich ein Grund, warum das Studio Iron Sky Universe im Oktober 2020 Bankrott ging. Bereits 2017 wurde mit The Ark ein weiterer Film aus dem Franchise angekündigt, in Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen. Hollywoodstar Andy Garcia (Der Pate III, Ocean’s Eleven) soll darin den Anführer eines geheimen Ordens der Illuminati verkörpern. Weder von diesem Projekt noch von einer möglichen direkten Fortsetzung der beiden Hauptfilme hat man seitdem irgendetwas Substanzielles gehört.

Iron Sky: The Coming Race ist seit 27. September 2019 auf BluRay und DVD erhältlich sowie als Stream bei unzähligen Anbietern verfügbar.

Iron Sky: The Coming Race
Science-Fiction-Komödie Finnland, Deutschland, Belgien 2019. FSK 12. 93 Minuten. Kinostart: 21. März 2019. Mit: Lara Rossi, Vladimir Burlakov, Kit Dale, Julia Dietze, Tom Green, Udo Kier u.a. Drehbuch: Dalan Musson. Regie: Timo Vuorensola.


Horroctober 2021, # 1 – Penny Dreadful Revisited VIII: Grand Guignol

5. Oktober 2021

Was bietet sich besser als Auftakt zum diesjährigen Horrormonat an als eine Folge der genialen Serie Penny Dreadful? Und nicht irgendeine, sondern das intensive Finale von Staffel 1.



„Do you really want to be normal?“

James Bond ist quasi Schuld, dass der Beginn meines Horroctobers 2021 etwas verspätet kommt. Dass ich meine im Juni 2020 begonnene und nach Folge sieben der ersten Staffel unterbrochene Wiederholungssichtung von John Logans genialer Horrorpastiche Penny Dreadful seit August 2020 (!) nicht fortgesetzt habe, dafür bin ich dagegen alleinverantwortlich, trotz des mich ständig verfolgenden Dämons der Faulheit. Vom bekanntesten Geheimagenten der Filmgeschichte zur viktorianischen Phantastik in TV-Form lässt sich aufgrund der Darsteller gut überleiten. Timothy Dalton alias Sir Malcolm Murray war der vierte offizielle Darsteller des Doppelnullagenten (in Der Hauch des Todes von 1987 und Lizenz zum Töten von 1989) und Eva „Vanessa Ives“ Green verkörperte in Daniel Craigs Debüt Casino Royale (2006) mit Vesper Lynd eines der wichtigsten Bondgirls aller Zeiten. Dazu kommt Rory Kinnear alias Frankensteins Kreatur, dessen bekannteste Kinorolle sicherlich die des Bill Tanner aus den vier letzten 007-Streifen ist. Doch lassen wir die glamouröse Welt der internationalen Spionage hinter uns und steigen wir hinab in die Demimonde, wo es im titelgebenden Theater zum Showdown mit dem Meistervampir kommt. Doch in dieser in mehrfacher Hinsicht denkwürdigen Episode passiert noch soviel mehr.

Während ihrer traumatischen Phase der Bessessenheit (siehe Folge 7) hat Vanessa Ives (Eva Green) in Erfahrung gebracht, wo sich der Unterschlupf des Meistervampirs (Robert Nairne), der Mina (Olivia Llewellyn) in seiner Gewalt hat, befindet: unter dem Dach des makabren Theaters „Grand Guignol“, in welchem Frankensteins Kreatur/Caliban (Rory Kinnear) als Bühnentechniker arbeitet. Doch diese Beschäftigung kommt zu einem jähen Ende als Caliban die Freundlichkeit der hübschen Schauspielerin Maud (Hannah Tointon) als romantisches Interesse fehldeutet und sich zu einer unerwünschten Annäherung hinreißen lässt. Völlig desillusioniert kehrt die Kreatur zu ihrem Schöpfer Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) zurück, der sein „Kind“ mit vorgehaltener Waffe gerne „erlösen“ möchte, es aber trotz Calibans Morden (an Proteus und Professor Van Helsing) nicht übers Herz bringt. Vanessa beendet ihre Affäre zu Dorian Gray (Reeve Carney) und erwischt ihn kalt, denn Zurückweisung kannte der Unsterbliche bisher nicht.

Mit Brona Croft (Billie Piper), der Geliebten Ethan Chandlers, geht es zu Ende. Die Schwindsucht hat ihren Körper ausgelaugt. Bevor sich Ethan von ihr verabschieden kann stirbt Brona durch die „Gnade“ von Dr. Victor Frankenstein, der mit ihrer sterblichen Hülle seine eigenen Pläne hat. Beim Kauf seiner neuen hochmodernen Pistole trifft Sir Malcolm Murray auf Evelyn Poole (Helen McCrory) alias Spiritualistin Madame Kali, welche in der kommenden zweiten Staffel noch eine besondere Rolle zu spielen hat. Helen McCrory, die unter anderem als Narzissa Malfoy in den Harry Potter-Filmen zu sehen war und außerdem in Skyfall (einem weiteren Bond-Film) eine kleine Rolle hatte, verstarb am 16. April 2021 im Alter von nur 52 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Zur Hochform durfte sie in PD noch auflaufen.

Im traditionsreichen „Splattertheater“ finden Sir Malcolm, sein Diener Sembene (Danny Sapani), Ethan, Victor und Vanessa den Meistervampir und seine Scherginnen. Malcolm gelingt es dem Blutsauger zur Strecke zu bringen und die Bedrohung somit zu stoppen, doch wird nun eine bittere Wahrheit ein für alle Mal klar: Tochter Mina ist ifest im Griff finsterer Mächte und nicht mehr zu retten. Als ob der Verlust Bronas und der Kampf mit den kreischenden Vampir-Minions nicht schon genug wäre wird Ethan auch noch von zwei Männern verfolgt (Stephen Lord, Julian Black Antalope), die sich als Detektive der berühmten Pinkerton-Agentur entpuppen. Ihr Auftrag lautet: Ethan nach Hause zu Daddy bringen, notfalls mit Gewalt. Während der ganzen Staffel wurde das schreckliche Geheimnis des Revolverhelden Mr. Chandler immer wieder angedeutet. Doch nun gibt es für das Tier im Manne kein Halten mehr. Als inszenatorisch gegensätzlichen Schlusspunkt der ersten Season konsultiert Vanessa einen weisen und verständnisvollen Priester (Henry Goodman), der sie mit einer völlig neuen Sichtweise ihrer besonderen Situation verblüfft.

Verblüffend auch wie nahezu perfekt sich die Episode präsentiert. Da werden in gerade einmal 54 Minuten wichtige Handlungsstränge (teils mit einer kuriosen „Beiläufigkeit“) vollendet und daneben auch schon etwas die zweite Staffel vorbereitet. Serienschöpfer/Autor Logan und Regisseur Hawes haben die Szenen perfekt geschrieben und durchkomponiert. Schauspielerisch empfehlen sich hier allein Eva Green, Timothy Dalton, Rory Kinnear, Josh Hartnett und Harry Treadaway für Preise, welche sie nie bekommen haben und auch nicht mehr erhalten werden. Normalerweise nicht so nah am Wasser gebaut bin ich allerdings bei der erneuten Sichtung von Grand Guignol aufgrund der hochwertigsten Intensität mehrfach in Tränen ausgebrochen. Penny Dreadful schafft es sieben Jahre nach der Premiere und fünf Jahre seit dem Serienende auf massive Art zu packen.

Anmerkung zur deutschen DVD-Auswertung: in den englischen Untertiteln zu dieser Episode hat sich ein Fehler eingeschlichen. Statt Evelyn Poole steht dort Evelyn Paul.

Penny Dreadful, 1×08: Grand Guignol
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 54 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: James Hawes.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.

 

 


Mord im Orientexpress (2017) (Rewatch)

23. April 2021

Spontan entschloss ich mich diese Woche, der bei der Erstsichtung im Kino vor dreieinhalb Jahren als durchwachsen empfundenen Neuverfilmung von Mord im Orientexpress, basierend auf dem Roman von Agatha Christie, durch Kenneth Branagh (Regie und Hauptrolle) eine zweite Chance zu geben. Konnte mich der Film bei der Wiederholungssichtung mehr überzeugen?

Murder and Moustache

Spoiler: Konnte er nicht. Aber dazu später mehr.

1934. Nachdem Hercule Poirot (Kenneth Branagh) einen Diebstahl an der Klagemauer in Jerusalem aufklären konnte, wird er für einen neuen Auftrag nach London zurückbeordert. Zufällig trifft der belgische Detektiv auf seinen Landsmann Monsieur Bouc (Tom Bateman), dem Direktor des Orientexpresses, der ihm einen Platz in der ersten Klasse reservieren lässt. Die zweite Nacht endet für Poirot, Bouc sowie die illustren weiteren Passagiere des Zuges mit zwei dramatischen Vorfällen. Der Zug steckt irgendwo in Jugoslawien in einer Schneeverwehung fest. Außerdem findet man den Geschäftsmann Mr. Ratchett (Johnny Depp) tot in seinem Abteil vor, ermordet durch zwölf Messerstiche. Auf Bitten Boucs nimmt Poirot sogleich die Ermittlungen auf. Nach einer ersten Beweisaufnahme befragt der Meisterdetektiv die übrigen Zuggäste, darunter die geschwätzige Witwe Mrs. Hubbard (Michelle Pfeiffer), die russische Prinzessin Dragomiroff (Judi Dench), die Gouvernante Mary Debenham (Daisy Ridley) sowie Ratchetts Sekretär Mr. MacQueen (Josh Gad) und seinen Diener Masterson (Derek Jacobi). Alles deutet darauf hin, dass der Mord im Zusammenhang mit einem vor Jahren in den USA begangenen anderen Verbrechen in Zusammenhang steht…

Die Frage nach der Notwendigkeit einer Neuverfilmung des bekannten Romans der renommierten Krimiautorin Dame Agatha Christie (1890-1976) stellte sich auch nach der Sichtung von Branaghs Version des Zugreisen-Whodunits. Schließlich gibt es mit Sidney Lumets Kinoversion von 1974 (mit Albert Finney als Poirot und einer unerreichten Starbesetzung) und der entsprechenden Folge aus der TV-Serie Poirot (mit David Suchet als belgischem Detektiv) bereits zwei jede für sich hervorragende Umsetzungen. Zwar präsentiert die neueste Adaption den Stoff einer neuen Generation von Kinozuschauern, aber insgesamt erscheint mir die 2017er Version auch nach der zweiten Sichtung immer noch als mäßig. Die bereits beim ersten Mal aufgetretenen Probleme fielen mir umso stärker auf.

Regisseur und Hauptdarsteller Kenneth Branagh, den ich aufgrund seiner hochklassigen Shakespeare-Adaptionen (u.a. Viel Lärm um Nichts [1993] und die Volltext-Adaption von Hamlet [1996]) sehr schätze, schafft es in nicht einmal zehn Minuten den liebenswert-exzentrischen, belgischen Meisterdetektiv Hercule Poirot völlig der Lächerlichkeit preiszugeben, vor allem indem Branagh dessen Marotten dem Zuschauer mit dem Holzhammer einprügelt. Bei Albert Finney, Peter Ustinov (der Poirot je dreimal für Kino und Fernsehen verkörperte und ihm auf gelungene Art seinen eigenen Stempel aufdrückte) und David Suchet gestalteten sich die Performances überaus stimmig. Branaghs Poirot wirkt auf mich über weite Strecken aufgesetzt und teilweise beinahe unfreiwillig komisch. Gemeinsam mit seinem eindimensionalen Bösewicht aus Tenet (2020) die schlechteste Karrierevorstellung des so begnadeten Schauspielers. An dieser Stelle bitte ich darum, dem Film im Nachhinein noch die Goldene Himbeere für das schlechteste Leinwandpaar (Branagh und sein unfassbar peinlich-unecht aussehender Schnurrbart) zu verleihen!

Drehbuchautor Michael Green bringt es leider nicht wirklich auf die Reihe, die Story des Romans und deren innewohnende Dramaturgie organisch aufzuziehen. Stattdessen werden kurz vor Schluss noch ein paar Details aus dem Ärmel geschüttelt, was unglücklich konstruiert wirkt. An sich ist die Neuadaption solide inszeniert und wartet mit einem ähnlich hochkarätigen Ensemble wie der Vorgänger von 1974 auf. Nur werden die meisten dieser namhaften Akteure in kleinen Rollen verschenkt. Das bringt die Figurenkonstellation der Vorlage mit sich, aber in früheren Adaptionen wurde es einfach besser umgesetzt. Insgesamt erweist sich „Mord im Orientexpress 2017“ über weite Strecken als ziemlich plakativ, nicht nur in der Darstellung seines Protagonisten. Da passen die beiden völlig überzogenen Actionszenen und das völlig übertheatralische Finale leider sehr gut ins Bild.

Der ursprünglich für Oktober 2020 anvisierte Kinostart des nächsten Whodunit-Krimis mit Branagh als Poirot, Tod auf dem Nil, wurde mittlerweile auf Februar 2022 verschoben. Irgendwie will ich ja schon wissen, ob der Regisseur diesen Roman filmisch ebenso in den (ägyptischen) Sand setzt wie ihm die Mord-im-Zug-Geschichte entgleist ist.

Mord im Orientexpress von 2017 ist auf DVD und BluRay erhältlich sowie Teil des Angebots diverser Streaminganbieter.

Mord im Orientexpress (Murder on the Orient Express)
Krimi USA 2017. FSK 12. 114 Minuten. Mit: Kenneth Branagh, Tom Bateman, Penélope Cruz, Willem Dafoe, Judi Dench, Johnny Depp, Josh Gad, Derek Jacobi, Leslie Odom Jr., Michelle Pfeiffer, Daisy Ridley u.a. Regie: Kenneth Branagh. Drehbuch: Michael Green. Nach dem Roman von Agatha Christie.

 

Credits
Bilder (c) Fox.

 


Austin Powers

27. März 2021

Groovy, baby! Vor knapp einem Vierteljahrhundert wurde mit Austin Powers der schrillste Agent weit und breit auf der Leinwand losgelassen. Doch wie gut funktioniert das erste Abenteuer des wandelnden Brusthaartoupets heute noch?


„Danger is my middle name.“

London in den wilden 1960ern. Austin Powers (Mike Myers), Geheimagent im Dienst ihrer Majestät, gelingt es erneut, die Pläne seines Erzfeindes Dr. Evil (ebenfalls Mike Myers) zu durchkreuzen. Daraufhin flieht der Bösewicht mit einer Rakete ins All und lässt sich einfrieren. Auch Austin begibt sich in den Kälteschlaf. Dreißig Jahre später kehrt Dr. Evil auf die Erde zurück und bedroht die Welt mit einer neuen Superwaffe. Nur einer kann den Finsterling stoppen: Austin Powers! Doch der muss sich nach dem Auftauen erst einmal an die neue Welt der 1990er gewöhnen. Dabei soll ihm die attraktive Agentin Vanessa Kensington (Elizabeth Hurley), die Tochter seiner früheren Kollegin (Mimi Rogers), helfen. Vor allem die Emanzipation bereitet dem sexbessessenen Ladykiller Schwierigkeiten. Dr. Evil muss ebenfalls feststellen, dass sich in drei Jahrzehnten so Einiges geändert hat. So erfährt der glatzköpfige Schurke von der Existenz seines Sohnes Scott (Seth Green). Wird es Austin Powers gelingen, seine Nemesis auch in den Neunzigern zu besiegen?

Seit langem habe ich mir kürzlich wieder mal Austin Powers – Das Schärfste was ihre Majestät zu bieten hat angesehen, erstmals in der englischen Originalfassung. Konnte ich mich bei früheren Sichtungen noch über die diversen Gags kaputtlachen, so haben diese heutzutage ihre Wirkung auf mich etwas verloren, mit Ausnahme der Sight Gags. Trotzdem gefällt Austin Danger (!) Powers‘ erster Kinofilm als spaßig-kurzweilige Parodie auf diverse Agentenfilme, vor allem natürlich die Werke mit einem gewissen Agenten namens James Bond. Gekonnt werden hier diverse 007-Streifen zitiert, vor allem Goldfinger (der mit Schuhen werfende Handlanger Random Task als Parodie auf den Hüte schleudernden Oddjob oder die auf Pussy Galore anspielende Privatsekretärin Alotta Fagina), Feuerball (Dr. Evils Umgang mit seinen weniger kompetenten Mitarbeitern und der Augenklappe tragende Mr. Nummer 2) und natürlich Man lebt nur zweimal (Dr. Evil als Kopie von Donald Pleasence in der Rolle von Bonds Dauergegner Blofeld).

Garniert wird dieser überaus zotige Swinging-Sixties-Spy-Spoof mit einem kultigen Soundtrack – der brasilianische Evergreen Mas Que Nada darf ebenso wenig fehlen wie Quincy Jones‘ Gassenhauer Soul Bossa Nova – sowie einem passenden Score von George S. Clinton, schrillen Kostümen, absurden Einfällen und einem überaus gut aufgelegten Cast um Mike Myers (auch Drehbuchautor und Produzent; bekannt aus Saturday Night Life und Wayne’s World), Elizabeth Hurley (Teuflisch), Michael York (Cabaret) und Robert Wagner (Ihr Auftritt, Al Mundy; Hart aber herzlich). Dazu gibt es Cameos von Carrie Fisher (Star Wars), Lois Chiles (Moonraker), Christian Slater (True Romance, Mr. Robot) und Musiker Burt Bacharach. Für den herrlich überzeichneten Retro-Charme sorgen natürlich auch die psychedelischen Einschübe mit der Band Ming Tea, die Mike Myers bereits Anfang der 1990er gründete. Insgesamt viel „Hit and Miss“, aber dennoch „groovy“. Mit Austin Powers – Spion in geheimer Missionarsstellung (1999) und Austin Powers in Goldständer (2002), den ich damals sogar im Kino erleben konnte, gab es zwei Fortsetzungen. Zu einem immer mal wieder kolportierten vierten Teil kam es bisher nicht.

Austin Powers – Das Schärfste was ihre Majestät zu bieten hat ist auf DVD und BluRay erhältlich sowie bei diversen Streaminganbietern abrufbar.

Austin Powers – Das Schärfste was ihre Majestät zu bieten hat
(Austin Powers: International Man of Mystery)
Agentenparodie USA 1997. FSK 12. 94 Minuten. Mit: Mike Myers, Elizabeth Hurley, Robert Wagner, Michael York, Seth Green, Mindy Sterling, Fabiana Udenio, Joe Son u.v.a. Drehbuch: Mike Myers. Regie: Jay Roach.

Credits
Bilder (c) Concorde/Winklerfilm.

 

 


Penny Dreadful Revisited VII: Possession

13. August 2020

Und wieder habe ich die „schaurige Penny“ zu sehr vernachlässigt. Vielleicht war es auch einfach ein wenig Respekt vor der siebten Folge, die ihren Titel nicht umsonst trägt.



„An animal scratching to get out.“

Die erotische Begegnung mit Dorian Gray hat in Vanessa Ives (Eva Green) etwas ausgelöst, einen Schalter umgelegt. Denn seitdem ist sie im wahrsten Sinne des Wortes vom Teufel bessessen. Nicht das erste Mal, aber bei dieser Gelegenheit besonders schlimm. Sir Malcolm (Timothy Dalton), Sembene (Danny Sapani), Ethan Chandler (Josh Hartnett) und Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) versuchen alles, um Vanessa irgendwie zu helfen.

Eva Green zeigt in dieser Folge zum dritten Mal nach Séance und Closer than Sisters eine unglaubliche schauspielerische Leistung, bei welcher ihr wirklich viel abverlangt wird. Es schmerzt wahrlich Vanessa bei ihrem qualvollen Konflikt mit dem Dämon in sich zuzusehen. Wie sie in einer Szene unruhig vor ihrem Bett kauert (siehe Bild unten) erinnert mich an den geschundenen Gollum aus Herr der Ringe. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass Miss Green mit ihrem äußerst präzisen und nuancenreichen Spiel auch in den „ruhigen“ Szenen mehr als überzeugt.

Doch Possession verkommt nie zur One-Woman-Show. Der Fokus rückt auch immer wieder auf Vanessas „Mitstreiter“, welche ihr im Kampf mit dem Bösen beistehen oder zumindest beizustehen versuchen. Denn mit der Zeit (sind es Tage oder gar Wochen?) hinterlässt die eigene Machtlosigkeit Spuren bei Malcolm, Ethan und Victor, etabliert gleichzeitig aber eine Art Zusammenhalt unter den so unterschiedlichen Männern. Spätestens jetzt wird klar, dass Vanessa Ives, deren unausweichliches Ende hier bereits „vorweggenommen“ wird, das emotionale Zentrum bzw erzählerische Herz der Serie bildet und die meisten der anderen Hauptfiguren um sich versammelt. Heutzutage würde man bei Miss Ives vermutlich eine dissoziative Identitätsstörung diagnostizieren.

Penny Dreadful, 1×07: Possession
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 57 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: James Hawes.

 

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.

 

 


Penny Dreadful Revisited VI: What Death Can Join Together

25. Juli 2020

Leider hab ich in den letzten Wochen meinen Rewatch von Penny Dreadful etwas schleifen lassen. Der wahrscheinliche Grund: denn die Blogger schreiben langsam. 😉



„Denn die Toten reiten schnell.“

Nachdem sich Closer than Sisters komplett einem Rückblick auf einschneidende Erlebnisse in Vanessa Ives‘ widmete kehren wir in der sechsten Folge wieder zur Haupthandlung zurück. Logan schafft es in 48 Minuten jeden der diversen Story Arcs voranzubringen.

Um den gesundheitlichen Zustand von Brona Croft (Billie Piper) ist es schlecht bestellt. Immerhin hat sie sich mit ihrem Geliebten Ethan Chandler (Josh Hartnett) versöhnt, der sich um sie kümmert und ihre Bedenken wegen der Ansteckungsgefahr beschwichtigt. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) lässt sich unterdessen vom erfahrenen Professor Van Helsing (David Warner) einen Ctashkurs in Sachen Vampirismus geben. Hierbei gibt es gleich zwei schöne Meta-Momente. Zum einen zitiert Frankenstein das Gedicht Adonais (1821) von Percy Bysshe Shelley (dem Ehemann seiner Schöpferin Mary Wollstonecraft Shelley), aus welchem wiederum der Titel der vorliegenden Folge entnommen wurde. Außerdem empfiehlt Van Helsing die „penny dreadfuls“ als aufschlussreiches Recherchematerials hinsichtlich der Blutsauger. Leider wird der Professor urplötzlich von Caliban (Rory Kinnear) fast wortwörtlich um die Ecke gebracht, aus Ungeduld darüber, dass Frankenstein bisher noch keine Braut für seinen „Erstgeborenen“ erschaffen hat. Caliban ist zudem unglücklich in Maud (Hannah Tointon), eine hübsche junge Schauspielerin aus dem Grand Guignol, verliebt.

Vanessa Ives (Eva Green), geschockt von dem Chaos, welches der geheimnisvolle Vampir (Robert Nairne) und sein Minion Fenton (Olly Alexander) zwei Episoden zuvor in ihrem Zimmer angerichtet haben, nimmt sich eine Auszeit von der Monsterjagd und trifft sich mit Dorian Gray (Reeve Carney) zu einem Portrait-Fotoshooting in dessen Villa. Hinterher ermutigt Sir Malcolm (Timothy Dalton) sie, doch auch den Abend mit Mr. Gray zu verbringen. Denn Malcolm plant mit Sembene (Danny Sapani) und Ethan eine gefährliche „Expedition“. In einem wegen Typhus-Verdacht unter Quarantäne stehenden Schiff entdeckt das Trio das Nest des Vampirs und seiner weißhaarigen, rotäugigen, weiblichen Anhänger. Nach einem Kampf der Vampir-Ladies mit unseren drei Helden bricht ein Feuer aus und der oberste Blutsauger kann mit Mina (Olivia Llewellyn) im Schlepptau fliehen. Malcolm ist konsterniert und will Vanessa von den Ereignissen des Abends berichten. Doch die ist wieder von bösen Mächten so gar nicht wunderbar geborgen, weil das erotische Abenteuer mit Dorian einen Schalter umgelegt hat. Die nächste Folge heißt nicht umsonst Possession.

Zum ersten Mal in der Serie darf hier Sembene mal das Wort ergreifen und Sir Malcolm seine Zweifel darüber mitteilen ob Mina wirklich noch gerettet werden kann. Das Anbandeln von Miss Ives und Mr. Gray wird wundervoll nuanciert zelebriert, vor allem dank ausgezeichneter Dialoge wie hier:

Vanessa Ives: I think Mr Gray, there are tremors around us, like the vibrations of a note of music – hidden music. Some may be more attuned to them than others, what do those people do? Those who have been chosen.
Dorian Gray: They endure uniqueness.
Vanessa Ives: To be alien, to be disenfranchised from those around you, is that not a dreadful curse?
Dorian Gray: To be different, to be powerful, is that not a divine gift?
Vanessa Ives: To be alone?
Dorian Gray: To be seeking.
Vanessa Ives: What?
Dorian Gray: Another.
Vanessa Ives: Like you?
Dorian Gray: Who shares your rarity.
Vanessa Ives: Then you are no longer unique.
Dorian Gray: Nor are you alone.

Penny Dreadful, 1×06: What Death Can Join Together
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 48 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: Coky Giedroyc.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.

 

 


Penny Dreadful Revisited V: Closer than Sisters

10. Juli 2020

Die fünfte Folge von Penny Dreadful wirft einen Blick in die Vergangenheit von Vanessa Ives und erforscht die Entwicklung der Figur.

„Something whispered. I listened. “

Wie alles begann. Mit diesen drei Worten lässt sich Closer than Sisters am besten überschreiben. Wir erleben hier nämlich die Origin Story von Vanessa Ives und die Hintergründe für die Ausgangssituation der Serienhandlung werden beleuchtet. In der Rahmenhandlung verfasst Vanessa einen Brief an ihre verlorene Freundin Mina und rekapituliert dabei die Ereignisse der Vergangenheit.

Es waren einmal zwei junge Mädchen, durch Freundschaft und die direkte Nachbarschaft ihrer Familien unzertrennlich. Doch nachdem Vanessa (Lili Davies) ihre Mutter (Anna Chancellor) und Malcolm (Timothy Dalton), den Vater ihrer besten Freundin Mina (Fern Deacon), beim heimlichen Liebesspiel beobachtet hat ist nichts mehr wie zuvor. Von diesem Tag an sollte sich Vanessa verändern.

Einige Jahre später. Vanessa (Eva Green) und Mina (Oliva Llewellyn) sind erwachsen geworden. Während Minas Bruder Peter (Graham Butler) seinen Vater auf dessen nächstes Abenteuer in Afrika begleiten soll hat sich Mina mit dem schneidigen Offizier Captain Branson (Joseph Millson) verlobt und plant, mit ihm nach Indien auswandern. Mit der Aussicht darauf, dass sie ihre beiden „Lieblingsmenschen“ zu verlieren droht, trifft Vanessa eine folgenschwere Entscheidung, die ihr eigenes und das Leben der beiden untrennbar miteinander verbundenen Familien für immer überschatten soll.

Was danach folgt wünscht man niemandem. Vanessa wird psychisch schwer krank und offenbart zwischenzeitlich Anzeichen für Besessenheit was ihr eine Höllenfahrt durch die Foltermethoden der damaligen „Psychotherapie“ beschert. Diese überaus dunklen Zeiten überlebt Miss Ives nur weil sie auf eine noch dunklere Stimme in ihrem Kopf hört, welche ihr in vertrauter Gestalt erscheint. Und auch Mina findet sich schließlich im Bann finsterer Mächte wieder, aus welchem sie Malcolm und Vanessa schließlich zu befreien versuchen, womit wir wieder beim Beginn der Serie wären.

Mit Eva Green, Timothy Dalton und Danny Sapani als Sembene (in einer kurzen Szene) sind in dieser Episode nur drei der acht Hauptdarsteller aus Staffel 1 vertreten. Die französische Schauspielerin, welche kürzlich ihren 40. Geburtstag feierte, liefert hier zum zweiten Mal nach Séance eine vor allem körperlich unfassbare intensive Performance ab. Für Miss Green sicherlich die Rolle ihres Lebens. Und auch Timothy Dalton hinterlässt einen starken Eindruck, vor allem in einer Szene (siehe Bild unten). Die kürzlich in einer PD-Facebook-Gruppe aufgekommene Theorie, dass Vanessas leiblicher Vater nicht Mr. Ives (Michael James Ford ist) sondern Sir Malcolm ist, halte ich nach der erneuten Sichtung dieser Folge für ziemlich unwahrscheinlich.

Closer than Sisters sollte nicht die einzige Folge der Serie bleiben, die sich mit Vanessa Ives‘ Vergangenheit auseinandersetzt. Auch The Nightcomers (Staffel 2, Folge 3) sowie die absolut verstörende und gleichzeitig großartige Episode A Blade of Grass (3×04) widmen sich fast ausschließlich der zentralen Figur.


Penny Dreadful, 1×05: Closer than Sisters
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 53 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: Coky Giedroyc.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.

 


Penny Dreadful Revisited IV: Demimonde

4. Juli 2020

In der vierten Folge von Penny Dreadful öffnen sich weitere Türen zu den Abgründen der Halbwelt.

You’re the daughter I deserve.“

Erstaunlich was alles in die 57 Minuten von Demimonde gepackt wurde. Und wohl deshalb ist die Episode so überaus gelungen. Im Zentrum der Handlung stehen dieses Mal besonders Dorian Gray (der nicht nur unter chronischer Unsterblichkeit leider, sondern in Staffel 1 auch dazu verflucht ist, nur in den Episoden mit gerader Zahl aufzutreten) und Ethan Chandler.

Dorian (Reeve Carney) ist jemand, der schon so gut wie alles im Leben durchgemacht und erlebt hat. Daher langweilen ihn wohl auch die gechillten Sex-Parties mit hübschen jungen Frauen und Männern. Vanessa Ives (Eva Green), die er bei der furchteinflößenden Séance kennen gelernt hat, fasziniert ihn. Und so verfolgt er ihre Schritte. So interpretiere ich zumindest sein „zufälliges“ Auftauchen in der Nähe der Kirche. Mit Fachwissen über exotische und giftige Blumen von besonderer Schönheit zieht Mr. Gray Miss Ives (Eva Green) in seinen Bann. Später treffen sich die beiden im Grand Guignol wieder.

Ich möchte auch einmal im Leben so eine herrliche, splattrige Bühnenshow wie im Grand Guignol erleben. Am nächsten kam dem eine Inszenierung von Macbeth in einem kleinen Theater in Aschaffenburg vor einigen Jahren. Bei der Rollenvergabe wurden die Geschlechter vertauscht (beide Frauenrollen spielte ein Mann, die männlichen Parts entsprechen Frauen) und während der Performance schmierten die Darsteller sich und die Wände auf der Bühne ständig mit roter Farbe ein. Hinterher mussten die Akteure übrigens selbst wieder alles saubermachen! Doch zurück zur PD-Folge. Der zuvor mehrfach erwähnte Hämatologe, den Sir Malcolm (Timothy Dalton) und Victor Frankenstein (Harry Treadaway) zu Rate ziehen, ist niemand Anderes als ein gewisser Professor Van Helsing (David Warner), der sich mit den mysteriösen Blutsaugern auszukennen scheint. Außerdem werden später die wahren Absichten des Meistervampirs (Robert Nairne) und seines „Minions“ Fenton (Olly Alexander) enthüllt.

Eigentlich wollte Ethan Chandler (Josh Hartnett) mit seiner todkranken Geliebten Brona Croft (Billie Piper) einen unterhaltsamen Abend im erwähnten Theater verbringen. Doch als die beiden während der Pause Dorian und Vanessa begegnen reagiert Brona eifersüchtig. Schließlich beendet sie ihre Beziehung mit Ethan und lässt diesen allein zurück. Dorian gabelt den völlig aufgelösten Ethan auf. Der Abend ist schließlich noch jung. Ehrlich gesagt konnte ich mich gar nicht mehr erinnern, wie deutlich hier bereits auf das dunkle Geheimnis des amerikanischen Revolverhelden angespielt wird ohne es definitiv zu enthüllen. Ethans ganzer Frust und seine Verzweiflung entladen sich schließlich in einer Schlussszene voller Erinnerungsfetzen mit ungewöhnlichem Ausgang. Und wie üblich ist das alles herausragend geschrieben, gespielt und inszeniert. Zum zweiten Mal führte hier Dearbhla Walsh Regie. Eine erkenntnisreiche, teils witzige und vor allem dramatische Folge.

Penny Dreadful, 1×04: Demimonde
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 57 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: Dearbhla Walsh.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime

 


Penny Dreadful Revisited II: Séance

15. Juni 2020

Weiter geht es beim Rewatch von Penny Dreadful. In der zweiten Folge wird unter anderem das Hauptfigurenensemble komplettiert. Und eine der denkwürdigsten Serien-Momente spielt sich ab…

 

„You do not belong here. Even less than I. „

Während die erste Episode „nur“ einen blutigen ersten Blick in die Abgründe der „Demimonde“ warf und sich geschickt in Vorahnung und Geheimniskrämerei hüllt so werden in Folge 2 die Tarotkarten schon ziemlich auf den Tisch gelegt. Séance ist unfassbar großartig. Doch wo soll ich anfangen?

Ethan Chandler (Josh Hartnett) und der Zuschauer lernen die todkranke irische Prostituierte Brona Croft (Billie Piper) kennen. Die beiden plaudern beim gemeinsamen „Whiskey-Frühstück“ über Gott und die Welt. Mit Bronas nächstem Job wird auch Dorian Gray (Reeve Carney) vorgestellt. Wahrlich creepy wie sich der unsterbliche Hedonist beim „Porno-Shooting“ (bewegte Bilder gab es 1891 noch nicht wirklich) an Bronas allmählich dahinsiechener Lebenskraft aufgeilt. Dazu spielt das Grammophon die Aria Mon cœur s’ouvre à ta voix aus der Oper Samson & Delilah von Camille Saint-Saëns (genial auch in der Interpretation von Klaus Nomi) und Teile von Richard Wagners Tristan und Isolde. Mr. Gray will see you now.

Den Großteil der Handlung verbringen wir allerdings mit Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) und seiner Schöpfung Proteus (Alex Price), einem wieder zum Leben erweckten Seemann. Der „Neugeborene“ lernt von seinem Schöpfer Sprechen und mehr, entdeckt die Welt in Frankensteins Labor-Dachboden und dann die draußen vor der Tür. Proteus-Darsteller Alex Price spielt diese (fast) völlig unschuldige Kindlichkeit mit herzerweichender Intensität. Umso schlimmer als am Ende Proteus‘ Leben im wahrsten Sinne des Wortes auseinandergerissen wird und Victors „Erstgeborener“ (Rory Kinnear) erstmals in Erscheinung tritt.

Die zentrale Szene, die mich mit dieser Serie entgültig „angefixt“ hat, spielt sich auf der illustren Okkult-Party von Ägyptologe Ferdinand Lyle ab, genüsslich tuckig und mit kuriosem Akzent (ein gesprochenes Rachen-R bei Briten hab ich noch nie gehört) von Theater-Ikone Simon Russell Beale verkörpert, hier in seinem zweiten und letzten Auftritt der Staffel. Dorian Gray ist auch zugegen und baggert gleich mal überaus wortgewandt Vanessa Ives (Eva Green) an, die ihm gekonnt Paroli bietet. Mr. Lyle hat eine gewisse Madame Kali (Helen McCrory; 2010 übrigens an der Seite von Alex Price in der Doctor Who-Folge The Vampires of Venice zu sehen) eingeladen, die mit ausgewählten Gästen, darunter Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton), Dorian und Vanessa, eine Beschwörung der Geister durchführt. Doch zu aller Entsetzen wird nicht Madame Kali, sondern Vanessa von finsteren Mächten in Besitz genommen. Sie windet und verrenkt sich, schnauft, faucht, wimmert, krächzt und spricht zu Sir Malcolm mit der Stimme seines verstorbenen Sohnes Peter und auch der von Mina. In Anbetracht der furiosen Performance von Eva Green an dieser Stelle hatte ich seit der letzten Sichtung dieser Episode fast vergessen, dass ja auch Timothy Dalton hier brilliert, wenn man in seinem tränenüberströmten Gesicht den tiefen Schmerz Sir Malcolms mitfühlen kann.

Serienschöpfer/Drehbuchautor John Logan, Regisseur J.A. Bayone (der nach dieser Folge leider keine weiteren von PD mehr inszenieren sollte), die Darsteller (vor allem Eva Green, Timothy Dalton und Alex Price) sowie die ganze Crew von Ausstattung, Kostüme, Kamera, Schnitt und Musik haben hier unfassbar Großes geschaffen. Sehr wahrscheinlich eine der drei besten PD-Episoden und nach meiner bescheidenen Meinung auch mit die besten 53 Minuten der letzten Fernseh-Dekade.

Demnächst in diesem von Logan’schem TV-Horror vereinnahmten Blog: der Text zum Rewatch von Folge 3 von Penny Dreadful und meine Gedanken zur zweiten Episode des Spin-Offs City of Angels.

 


Penny Dreadful, 1×02: Séance
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 53 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: J.A. Bayona.

Credits
Szenenfotos (c) Showtime.


Penny Dreadful Revisited I: Night Work

11. Juni 2020

Das baldige Verschwinden von Penny Dreadful aus dem Netflix-Angebot und den kürzlichen Deutschland-Start des unter Fans umstrittenen Spin-Offs Penny Dreadful: City of Angels habe ich zum Anlass genommen, mir die DVD-Komplettbox der viktorianischen Horror-Serie zu gönnen und einen Rewatch zu starten.

„It’s an invitation.“

London, September 1891. Die geheimnisvolle Vanessa Ives (Eva Green) und der Abenteurer Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton) engagieren den amerikanischen Revolverhelden Ethan Chandler (Josh Hartnett), um ein Nest schauriger Kreaturen aufzumischen. Sir Malcolm sucht dort seine von finsteren Mächten entführte Tochter Mina. Dem Arzt Dr. Victor Frankenstein (Harry Treadaway) gelingt es mit Elektrizität einen toten Körper wieder zum Leben zu erwecken.

Willkommen (zurück) in der düsteren Halbwelt von Penny Dreadful, jener einmaligen TV-Serie von John Logan, benannt nach den Grusel-Groschenheften des 19. Jahrhundert. Die Premierenepisode (in den USA am 11. Mai 2014 veröffentlicht) liefert einen perfekten Einstand. Geschickt etablieren Schöpfer und Drehbuchautor Logan sowie Regisseur J.A. Bayona (der auch die ersten beiden Folgen der kommenden Herr der Ringe-Serie von Amazon inszeniert) das Setting, die Figuren und den Look der Serie. Blutige Szenen wie aus einem Schlachthaus, geheimnisvolle Hieropglyphen auf einem nicht ganz menschlichen Körper, düstere Vorahnungen usw. Der Zuschauer erhascht hier einen ersten Blick auf die Demimonde, bevor in den folgenden Episoden tiefer in diese düstere Halbwelt eingedrungen wird.

 

 

Wenngleich hier noch nicht alle Hauptcharaktere auftreten (Dorian Gray, Brona Croft und Caliban tun dies erst in Folge 2) so hinterlässt das Ensemble bereits einen starken Eindruck. Neben Josh Hartnett als nur vordergründig lässigem Revolverhelden und Ex-Bond-Darsteller Timothy Dalton als zu allem entschlossenen Afrika-Forscher tut das vor allem Ex-Bondgirl Eva Green als rätselhafte und spirituell begabte Vanessa Ives. Was die französische Schauspielerin bereits in der allerersten Episode für Präzision und Ausstrahlung zeigt fasziniert mich auch etwa sechs Jahre nach meiner Erstsichtung immer noch. Eine wahrhaft immersive Performance. Hinsichtlich der Kameraführung sind mir zwei Szenen mit virtuos gefilmten, langen Takes im Gedächntis geblieben: Sir Malcolms unheimliche Begegnung in seinem Schlafzimmer und das Ende der Folge mit Victor und seiner neuen Schöpfung.

Night Work bietet wie jede einzelne Folge von Penny Dreadful unfassbar tolle Dialoge. Schließen möchte ich diesen Beitrag mit meinem (humoristischen) Lieblingszitat:

 

Sir Malcom: „You have the soul of a poet, sir.“
Dr. Victor Frankenstein:
„And the bank account to match.“


Penny Dreadful, 1×01: Night Work
Irland, UK, USA 2014. FSK 16. 51 Minuten (PAL-DVD). Idee & Drehbuch: John Logan. Regie: J.A. Bayona.

Credits
Szenenfoto (c) Showtime


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