Wie war das eigentlich damals als die Videokassette Anfang der 1980er nach Deutschland kam? Oliver Kalkofe, Jörg Buttgereit und andere erinnern sich, in Laurent Ohmansieks Doku Planet of the Tapes.
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Die Geburt des Heimkinos in Deutschland
Lange bevor DVD, BluRay und Streamingdienste den Markt übernahmen war die Videokassette mit dem System VHS (Video Home System) quasi alternativlos wenn es ums Heimkino ging. 1976 in Japan erfunden kam die VHS-Kassette Anfang der 1980er nach Deutschland und wurde nach der Durchsetzung gegen die konkurrierenden Systeme Betamax und Video 2000 zu dem Heimkinomediumk schlechthin. Erstmals konnte man sich Filme nicht nur im Kino, sondern zeitnah (meist Jahre vor der Fernsehausstrahlung) zuhause per Videorekorder ansehen. In Laurent Ohmansieks Interview-Doku Planet of the Tapes – Flashback ins Zeitalter der Videotheken erinnern sich unterschiedliche Leute abwechselnd an ihre ersten Erfahrungen mit dem Medium. Der Comedian/Moderator Oliver Kalkofe (Kalkofes Mattscheibe, SchleFaZ), die Filmemacher Jörg Buttgereit (Captain Berlin), Thilo Gosejohann (Captain Cosmotic) und Timo Rose (Game Over), Kai Krick (u.a. Autor mehrere Bücher zu Akte X), Filmwissenschaftler Dr. Marcus Stiglegger sowie die Comedians Hennes Bender und Torsten Sträter und weitere berichten von ihren Videokassetten-Erlebnissen als Kinder bzw. Jugendliche. Auch Videothekenbesitzer kommen zu Wort.
Während sie vor ihrer eigenen Filmsammlung (oder in der eigenen Videothek) sitzen erzählen die Mitwirkenden von ihren ersten Besuchen in Videotheken, dem damals neuen Ereignis einen Film gemeinsam mit Freunden zuhause zu erleben, technischen Problemen, falschen Bildformaten, verstümmelten Schnittfassungen, der Diskrepanz zwischen grellbunt-reißerischen Covern und dem Inhalt der Filme, und dem Kick immer die angesagtesten, teils „verbotenen“ Werke anzusehen, zur Not auch über Umwege. In den ersten Jahren meideten die großen Studios das neue Medium, aus Angst davor, dadurch an der Kinokasse weniger Umsatz zu machen. Und so erschienen damals vor allem B-Movies aus den Genres Horror, Action, Science-Fiction und auch Porno-Produktionen auf Video, von denen einige Streifen auch Kultstatus erreichten. Einzelne Filme wie Das Söldnerkommando (1982), Drei Engel auf der Todesinsel (1985) und Jäger der verschollenen Galaxie (1987) wurden von Kalkofe gemeinsam mit Peter Rütten in ihrer Reihe Die schlechtesten Filme aller Zeiten (kurz SchleFaZ) präsentiert und ironisch zerlegt.
Insgesamt fand ich die gut eine Stunde laufende Doku interessant und sehr kurzweilig, aber dadurch dass lediglich Interviewpassagen zusammengeschnitten wurden fehlt es aus meiner Sicht etwas an Hintergrundinformationen zum Thema, welche den ganzen Film sicherlich noch ergänzt und abgerundet hätten. Meine eigene „VHS-Geschichte“ begann im Grunde erst Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er mit Kassetten zu den Disney-Filmen Susi und Strolch (1955) und Arielle, die Meerjungfrau (1989), letzterer im Dezember 1990 mein allererster Kinofilm und damals mein absoluter Lieblingsfilm. 1993 folgte dann mein zweiter Lieblingsfilm Bodyguard (1992). Filme aus der Videothek ausgeliehen habe ich äußerst selten.
Planet of the Tapes ist Teil des Bonusmaterial der BluRay-Editionen des Films Das Söldnerkommando (1982) und als Stream bei Amazon erhältlich.
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Planet of the Tapes – Flashback ins Zeitalter der Videotheken
Dokumentation Deutschland 2019. FSK 16. 69 Minuten.
Mit: Oliver Kalkofe, Jörg Buttgereit, Thilo Gosejohann, Marcus Stiglegger, Dennis Kortmann, Kai Krick, Timo Rose, Hennes Bender, Torsten Sträter u.a. Regie: Laurent Ohmansiek.
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Credits
Bilder (c) Turbine.