Nach den experimentellen Kurzfilm-Tipps gestern folgt heute mein Review zu einer aktuellen Doku-Featurette, die nur noch wenige Tage in der Arte-Mediatek verfügbar ist: Das Phänomen Blade Runner, über den visionären Science-Fiction-Noir-Film von Ridley Scott.
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2019 – Zwischen Vision und Realität
Basierend auf dem Roman Träumen Androiden von elektrischen Schafen (1968) von Philip K. Dick (1928-1982) drehte der britische Regisseur Ridley Scott (Alien) den aufwändigen und in vielerlei Hinsicht visionären Science-Fiction-Film Blade Runner. Nach der Premiere 1982 konnte der Film weder Kritiker überzeugen noch ein großes Publikum für sich gewinnen. Erst mit den Jahren erwarb sich der Scifi-Noir-Streifen seinen hochverdienten Kultstatus. 2017 erschien die von Denis Villeneuve inszenierte Fortsetzung Blade Runner 2049. Dr. Boris Hars-Tschachotin, unter anderem Filmemacher, Installationskünstler, Autor, Produzent, Kurator, promovierter Kunsthistoriker und Gastprofessor an der Filmuniversität Babelsberg, widmet sich in einer für ZDF und Arte produzierten Dokumentation den Produktionshintergründen und Motiven von Blade Runner.
Schauplatz des Films von Scott ist Los Angeles im Jahre 2019, ein düsteres, verschmutztes, verregnetes und von einer großen Kluft zwischen sozialem Brennpunkt und superreichen Großkonzernen geprägtes Moloch. Auch wenn das heutige LA verständlicherweise nicht genau wie vor 39 Jahren prognostiziert aussieht, so erwies sich die Vision einer Metropole voller Gegensätze aus heutiger Sicht als erschreckend realistisch. Auch in der heutigen, realen Stadt der Engel gibt es ein krasses Gefälle zwischen Arm und Reich. Manche können sich trotz mehrerer Jobs keine Wohnung leisten und hausen in Zelten. Auch das Szenario mit dem vertikalen Nebeneinander (ode Übereinander) der hart arbeitenden Klasse und den reichen Mega-Konzernen erwies sich als treffend. Auch wenn es Stand heute noch keine fliegenden Autos gibt, so ist man gemäß der Aussage eines der Beteiligten nur noch etwa fünf Jahre davon entfernt.
Hars-Tschachotin lässt nicht nur Regisseur Ridley Scott und Hauptdarsteller Harrison Ford zu Wort kommen, sondern auch Kristina Jaspers (Kuratorin der Deutschen Kinemathek), Produktionsleiterin Katherine Haber, Gaff-Darsteller Edward James Olmos, Joanna „Zhora“ Cassidy sowie Visual Effects Supervisor Douglas Trumbull und Designer Syd Mead (1933-2019). Vor allem letztere waren für den besonderen Look zwischen Film-Noir und postapokalyptisch-futuristischen Cyberpunk-Look maßgebend verantwortlich. Es werden unterschiedliche Aspekte der Produktion gleichermaßen angesprochen wie Thematiken, Figuren und die Einflüsse wie Fritz Langs filmischer Meilenstein Metropolis (1927) oder den Film Noir aus den 1940er und 1950ern. Rutger Hauer, Darsteller des um sein Leben kämpfenden Replikanten Roy Batty, wurde leider nicht interviewt, was daran liegen könnte dass er bei Beginn der Dreharbeiten im September 2019 schon verstorben war. Um das Science-Fiction-Meisterwerk komplett erfassen zu können ist freilich eine ungleich längere Doku (wie der dreieinhalb Stunden lange Beitrag Dangerous Days: Making Blade Runner von Charles des Lauzirka von 2007) notwendig, doch die vorliegende Featurette macht das Beste aus ihren zeitlichen Möglichkeiten.
Das Phänomen Blade Runner ist nur noch bis 26. Juni 2021 kostenlos in der Arte-Mediatek abrufbar.
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Das Phänomen Blade Runner
TV-Dokumentation Deutschland 2021. 53 Minuten.
Buch und Regie: Boris Hars-Tschachotin.
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Credits
Bilder (c) Medea Film/ZDF/Arte.