Derzeit sind in Film und Fernsehen Doppelgänger ein beliebtes Motiv und Thema. Die quantitativ auffälligste Variante bildet die Mystery-Serie Orphan Black, in welcher eine junge Frau entdeckt, dass sie doch nicht ganz so einzigartig ist.
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Orphan Black
Mysteryserie Kanada/USA 2013. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 10 Folgen (Staffel 1). Gesamtlänge: ca. 430 Minuten (PAL-DVD). Mit: Tatiana Maslany, Jordan Gavaris, Dylan Bruce, Kevin Hanchard, Michael Mando, Maria Doyle Kennedy, Évelyne Brochu u.v.a. Idee: Graeme Manson und John Fawcett.
Spiel der Identitäten
Nach zehn Monaten kehrt Sarah Manning (Tatiana Maslany) in ihre Heimatstadt zurück. Die Kleinkriminelle befand sich auf der Flucht vor ihrem Drogen dealenden Ex-Freund Vic (Michael Mando). Am Bahnsteig hat Sarah eine äußerst sonderbare Begegnung. Sie sieht dort eine Frau (Tatiana Maslany), die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Doch genau diese Frau springt vor den nächsten heranfahrenden Zug in den Tod. Völlig geschockt nimmt Sarah die Handtasche der Toten und sucht bei ihrem Adoptivbruder Felix (Jordan Gavaris), einem schwulen Underground-Künstler, Zuflucht.
Die tote Doppelgängerin hieß Elizabeth „Beth“ Childs. Sarah beschließt deren Identität anzunehmen, um ihren eigenen Tod zu inszenieren. Sie nistet sich in Beths Wohnung ein und findet heraus, dass diese 75 000 Dollar auf einem Sparkonto deponiert hat. Für die Zukunft mit ihrer kleinen Tochter Kira (Skyler Wexler), die bei Sarahs und Felix‘ Adoptivmutter „Mrs. S“ (Maria Doyle Kennedy) lebt, möchte Sarah nur schnell das Geld holen. Doch da taucht Beths Freund Paul (Dylan Bruce) auf. Außerdem kommt mit Detective Art Bell (Kevin Hanchard) die Erkenntnis über Beths Beruf: Polizistin. In der Folge läuft Sarah ständig Gefahr aufzufliegen. Doch als ob das alles nicht genug wäre, trifft sie nach und nach auf weitere Doppelgänger, die wie Sarah selbst Klone sind…
Wenn es ein vorherrschendes Sujet in Filmen und Serien derzeit gibt, dann ist es wohl das Doppelgängermotiv. Während im Kino aktuelle Filme wie Muppets Most Wanted, X-Men: Zukunft ist Vergangenheit oder Enemy das Thema vielfach vertreten, so tut dies im TV die Serie Orphan Black. Die Story der kanadisch-amerikanischen Co-Produktion klingt wie ein Cocktail verschiedener Versatzstücke aus den bekannten Mystery-Serien Akte X, The 4400 oder Heroes. Doch bereits nach kurzer Zeit wird klar, dass Orphan Black mehr zu bieten hat. Eine ähnliche Konstellation mit den Klonen lieferte übrigens vor 20 Jahren die Akte X-Folge mit dem Titel „Eve“.
Auf den ersten Blick wirkt die Produktion von John Fawcett (The Dark) und Graeme Manson (Cube) wie eine der unzähligen Hochglanzserien Hollywood’scher Machart. Schon nach kurzer Zeit wird man allerdings eines Besseren belehrt, offenbart doch der Plot um die Hintergründe von Sarah und ihren „Schwestern“ viel Potenzial in der spannenden Ausarbeitung der Handlungsstränge. Zu keiner Zeit verkommt die Serie zu einer „Klon der Woche“-Show, was sie von so manch anderem Genre-Vertretern unterscheidet. Die zehn Folgen der ersten Staffel konzentrieren sich auf eine Geschichte. Redundante Nebenhandlungsstränge gibt es nicht.
Orphan Black steht und fällt mit Hauptdarstellerin Tatiana Maslany (Tödliche Versprechen, Die Tore der Welt), die alle Klone selbst spielt, von denen in der ersten Staffel etwa zehn auftauchen. Es gelingt ihr scheinbar spielend, die individuelle Sprechweisen (im Original auch den Akzent), Mimik und Auftreten der verschiedensten Frauen gekonnt umzusetzen. Makeup und Kostümbild leisten ihr übriges um die toughe Sarah, die Vorstadt-Soccermum Alison, die psychopathische Killerin Helena und die sexy-nerdige Doktorandin Cosima unterschiedlich zu gestalten. Szenen, in denen mehrere der Klone interagieren wurden im Wechsel mit einem Double gedreht.
Es erscheint allerdings etwas unrealistisch, dass sich Sarah, die sich als Beth ausgibt, die Rolle einer Polizistin so relativ unproblematisch aneignen kann, ohne gleich aufzufliegen. Überzeugender und vor allem herrlich spitzzüngig ist die vermeintlichte Vorstadtidylle, in welcher Allison mit Ehemann und Kindern lebt und die sehr an Desperate Housewives erinnert.
Um den Zuschauer nicht durch große Namen von der Geschichte abzulenken, verzichteten die Macher hier weitgehend auf bekannte Darsteller, mit Ausnahme der irischen Schauspielerin Maria Doyle Kennedy (Die Tudors) als Sarahs Adoptivmutter und Kanadas TV-Guru Matt Frewer (PSI-Factor, Eureka: Die geheime Stadt) als Genetiker Dr. Aldous Leekie.
ZDF Neo strahlte im vergangenen Mai die erste Staffel aus, seit dem 30. Mai 2014 ist diese auch auf DVD und BluRay erhältlich. Season 2 ist beim kleinen Digitalsender für den Herbst 2014 geplant. Schön, dass die deutschen Zuschauer auf die neuen Folgen nicht allzulang warten müssen, denn der Cliffhanger am Ende der ersten Staffel hat es durchaus in sich.
Fazit: Eine spannende „Klon-Verschwörung“ mit Auswirkungen auf die Betroffene(n), präzise inszeniert und mit äußerst wandlungsfähiger Hauptdarstellerin Tatiana Maslany. 8 von 10 Punkten.
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Weitere Klone: Allison, Cosima…
…und Helena
Sarahs Adoptivbruder Felix hilft wo er kann
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Bilder (C) BBC.