Kein (vor-)weihnachtlicher Fernsehkonsum kann jemals komplett sein ohne den Märchenfilmklassiker Drei Haselnüsse für Aschenbrödel aus dem Jahre 1973. Also ab in das verschneite Königreich und los geht’s!
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Die Geburt eines Klassikers
Zu den beliebtesten Fernsehklassikern zu Weihnachten gehört hierzulande der mittlerweile knapp 50 Jahre alte Märchenfilm Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Die CSSR/DDR-Produktion entstammt einer ganzen Welle von Märchenadaptionen in Osteuropa der 70er Jahre, die sich im Gegensatz zu amerikanisierten Verfilmungen durch eigenwilligen und überhaupt nicht kitschigen Charme auszeichnen.
Eigentlich ist Aschenbrödel (Libuše Šafránková) eine Tochter aus gutem Haus, doch nach dem Tod ihrer Eltern muss das junge Mädchen die tyrannische Herrschaft der Stiefmutter ( Carola Braunbock) ertragen, die Aschenbrödel wie eine schlechte Dienstmagd behandelt. Als ob das noch nicht genug wäre, gibt es da noch die gemeine Stiefschwester Dora (Dana Hlaváčová ). Als bekannt wird, dass der Prinz des Landes (Pavel Trávníček) auf Brautschau ist und daher einen großen Ball abhält, soll nach dem Willen der Stiefmutter Dora die Gunst des Thronfolgersfür sich gewinnen. Aschenbrödel träumt heimlich auch davon, auf dem Ball zu tanzen. Durch drei Zaubernüsse, welche ihr der Knecht Vinzek (Vladimír Menšík) mitgebracht hat, vermag dieser Traum für Aschenbrödel wahr zu werden. Auf dem Ball trifft der in Wahrheit heiratsunwillige Prinz sehr zum Erstaunen seiner Eltern, des Königs (Rolf Hoppe) und der Königin (Karin Lesch), auf eine geheimnisvolle Schönheit mit verhülltem Gesicht…
Zu den regelmäßigen Ritualen in meiner Kindheit zählte am Freitagnachmittag das Anschauen eines Märchenfilms mit meiner Oma und meiner Schwester im Fernsehen. Mehrmals wurde in dieser Zeit natürlich auch Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, jenem Werk, welches seit der deutschen TV-Erstausstrahlung im Dezember 1975 zum Dauerbrenner zu Weihnachten gehört. Jedes Jahr wird der in tschechoslowakisch-ostdeutscher Co-Produktion entstandene Filme um die und an den Weihnachtstagen in den Programmen der ARD gezeigt.
Die Geschichte ist eine Variante des bekannten Aschenputtel-Märchens, welches seinen Weg in die Sammlung Kinder- und Hausmärchen (1812-1858) der Brüder Grimm fand. Das Skript von František Pavlíček basiert allerdings auf einer Variante, die auf einen Text der tschechischen Schriftstellerin Božena Němcová (1820-1862). Regie führte Václav Vorlíček, der dies später in seiner Karriere noch bei weiteren Märchen-Adaptionen tun sollte. Gedreht wurde im Schloss Moritzburg bei Dresden, den Babelsberger Filmstudios und den Barrandov Studios in Prag sowie an diversen Schauplätzen in der damaligen Tschechoslowakei.
Ich denke die Qualität des Films liegt in seiner Stimmigkeit. Die Handlung spielt sich in einer naturnahen verschneiten Winterlandschaft ab und bietet trotz der märchenhaften Elemente viel Authentizität. Dazu kommt eine durchaus als progressiv zu verstehende Heldin. Aschenbrödel iwrd zwar von Stiefmutter und Stiefschwester schlecht behandelt, zeigt sich aber überaus fähig in diversen Disziplinen wie Reiten und Bogenschießen. Die Freundschaft zu den Tieren betont zudem ihre Naturverbundenheit. Auch wenn die junge Frau die Hilfe der titelgebenden, magischen Nüsse hat, so bestreitet sie ihre Unternehmungen sehr proaktiv und selbstbestimmt.
Für die damals 19jährige Hauptdarstellerin Libuše Šafránková bedeutete die Rolle den Durchbruch. In den folgenden Jahren war die Schauspielerin in einigen weitere n Märchenfilmen wie Die kleine Meerjungfrau (1976), Prinz und Abendstern (1978) und Der Salzprinz (1983) zu sehen. Außerdem war Šafránková unter anderem im Oscar-nominierten tschechischen Film Kolya (1996) zu sehen. 2015 erkrankte sie an Lungenkrebs, an dessen Folgen sie am 9. Juni 2021, zwei Tage nach ihrem 68. Geburtstag, verstarb. Auch der Darsteller des Prinzen, Pavel Trávníček, sollte in weiteren Märchen-Adaptionen mitspielen, etwa in Schneeweißchen und Rosenrot (1979) und Der dritte Prinz (1982). 2018 war er als Chauffeur von Rudolf Mooshammer im satirischen TV-Biopic Der große Rudolph zu sehen. Den König spielt der erfahrene DEFA-Schauspieler Rolf Hoppe (1930-2018). Mit Carola Braunbock als Stiefmutter und Karin Lesch als Königin waren, wie damals in den CSSR-/DDR-Produktionen üblich, weitere Schauspieler aus der damaligen DDR dabei.
Besonderen Charme strahlt Drei Haselnüsse für Aschenbrödel auch durch die teils herrlich überkandidelnden Kostüme von Theodor Pištěk, der später auch für große Hollywood-Produktionen wie Amadeus (1984) und die Miniserie Dune – Der Wüstenplanet (2000) arbeiten sollte. Untrennbar verbunden mit dem ganzen Werk ist sicherlich die Musik von Karel Svoboda (1938-2007), die mit ihren eingängigen Melodien lange nachhallt. Svoboda komponierte auch für die Zeichentrickserien Wickie und die starken Männer (1974/75), Die Biene Maja (1975-1980) und Nils Holgersson (1980/81). All diese unverzichtbaren Zutaten ergeben am Ende einen unvergesslichen Märchenfilm- und Weihnachtsklassiker zugleich.
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel ist aktuell kostenlos in der ARD-Mediathek abrufbar sowie Teil des Angebots von Netflix. Die digital restaurierte Fassung gibt es außerdem auf DVD und BluRay.
Am 21. Dezember 2021 erschien unter dem gleichen Titel ein norwegisches Remake bei Amazon Prime. Ob iese Neuverfilmung an das Original heranzureichen vermag wage ich vorbehaltlich der Sichtung einfach mal zu bezweifeln.
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Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (Tři oříšky pro Popelku)
Märchenfilm Tschechoslowakei/DDR 1973. FSK 0. 82 Minuten.
Mit: Libuše Šafránková, Pavel Trávníček, Carola Braunbock, Rolf Hoppe, Karin Lesch, Dana Hlaváčová, Vladimír Menšík, Jan Libíček u.v.a. Nach dem gleichnamigen Märchen von Božena Němcová und Aschenputtel der Gebrüder Grimm. Drehbuch: František Pavlíček. Regie: Václav Vorlíček.
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Credits
Bilder (c) Icestorm.
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